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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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zu fassen bekam. Zufällig war es ein alter Wasserkrug aus vergoldetem Silber. Der Wasserkrug fiel um, als Sulla sich blindlings an ihn klammerte, und stürzte laut scheppernd zu Boden, während Julilla, die Hände vor das Gesicht geschlagen, hinausrannte.
    Das Getöse hatte alle Hausbewohner alarmiert. Sulla merkte, daß der letzte Blutstropfen aus seinem ohnehin blassen Gesicht gewichen war und der kalte Angstschweiß ihm den Rücken herunterrann. Seine Beine knickten ein, er sackte zu Boden. Da saß er, den Kopf auf den Knien, die Augen fest geschlossen, und versuchte, das Bild dieses Skeletts, das von Julillas goldener Haut umhüllt war, wieder abzuschütteln.
    Caesar und Marcia halfen ihm auf die Beine und führten ihn in Caesars Arbeitszimmer.
    Nach einem großem Schluck unverdünnten Weines kehrte allmählich seine Gesichtsfarbe zurück, und er konnte sich mit einem Seufzer auf dem Sofa aufsetzen. Hatten Caesar und Marcia etwas gesehen? Und wohin war Julilla gegangen? Was sollte er sagen? Was tun?
    Caesar sah grimmig aus, Marcia gleichfalls.
    »Es tut mir leid, Gaius Julius«, sagte Sulla und nahm noch einen Schluck Wein. »Ein Schwächeanfall. Ich weiß nicht, was mit mir los ist.«
    »Ruh dich aus, Lucius Cornelius«, sagte Caesar. »Ich weiß, was mit dir los ist. Du hast ein Gespenst gesehen.«
    Nein, diesen Mann konnte man nicht täuschen - jedenfalls nicht so plump. Er war viel zu klug, beobachtete viel zu genau.
    »War das wirklich eure jüngere Tochter?« fragte Sulla.
    »Ja.« Caesar schickte seine Frau mit einem Nicken aus dem Zimmer.
    »Ich habe sie vor einigen Jahren manchmal am Porticus Margaritaria gesehen, zusammen mit ihren Freundinnen«, sagte Sulla, »und sie war genauso, wie ein römisches junges Mädchen sein soll. Sie lachte, war niemals vulgär, ach, ich weiß nicht. Und dann, einmal auf dem Palatin, als ich tiefste Schmerzen litt, seelische Schmerzen, verstehst du...«
    »Ja, ich glaube, ich verstehe«, sagte Caesar.
    »Sie fragte, ob sie mir helfen könne, und ich war ziemlich unfreundlich zu ihr. Ich glaubte, du würdest es nicht gerne sehen, wenn sie mit Leuten wie mir Bekanntschaft schließt. Aber sie ließ sich nicht abweisen, und ich brachte es nicht fertig, richtig grob zu werden. Weißt du, was sie getan hat?« Sullas Augen sahen noch merkwürdiger aus als sonst. Seine Pupillen waren riesengroß, um die Pupillen herum liefen zwei schmale Ringe in hellem Grauweiß und darum herum zwei Ringe in Grauschwarz. Diese Augen starrten zu Caesar hinauf und wirkten gar nicht menschlich.
    »Was hat sie getan?« fragte Caesar leise.
    »Sie hat mir einen Kranz aus Gras gemacht! Sie hat mir einen Kranz geflochten und ihn mir aufgesetzt. Mir! Und ich hatte... ich hatte eine Vision!«
    Er schwieg. Da keiner der Männer wußte, wie er dieses Schweigen brechen konnte, trat eine lange Stille ein. Beide Männer waren in Gedanken.
    »Gut«, sagte Caesar schließlich seufzend, »was hat dich zu mir geführt, Lucius Cornelius?«
    Damit sagte er auf seine Weise, daß er Sullas Unschuld als erwiesen ansah, unabhängig davon, wie er das Verhalten seiner Tochter deutete. Und er sagte außerdem, daß er zum Thema Julilla nichts mehr hören wollte. Sulla hatte mit dem Gedanken gespielt, von den Briefen zu erzählen. Jetzt verwarf er den Gedanken.
    Er straffte sich, stand vom Sofa auf, setzte sich auf den Stuhl vor Caesars Schreibtisch, der für die Klienten bestimmt war, und wandte sich wie ein Klient an Caesar.
    »Clitumna«, sagte er. »Ich wollte mit dir über Clitumna sprechen. Vielleicht sollte ich lieber mit deiner Frau über sie sprechen, aber auf alle Fälle gehört es sich, daß ich mich erst einmal an dich wende. Clitumna ist nicht mehr wie früher. Sie ist deprimiert, weint viel und interessiert sich für nichts. Sie verhält sich ganz und gar nicht normal. Nicht einmal für die Trauerzeit. Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll.« Er holte tief Luft. »Ich stehe in ihrer Schuld, Gaius Julius. Sie ist eine arme, dumme, ordinäre Frau, aber ich stehe in ihrer Schuld. Sie war gut zu meinem Vater, und sie war gut zu mir. Und ich weiß nicht, was ich zu ihrem Besten mit ihr tun soll, ich bin einfach ratlos.«
    Caesar lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Irgend etwas störte ihn an dem, was Sulla sagte. Er zweifelte nicht an Sullas Darstellung, er hatte Clitumna selbst gesehen und oft genug von Marcia gehört, wie es um sie stand. Aber warum war Sulla zu ihm gekommen? Das paßte nicht zu Sullas

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