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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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haben dich gesucht, König Tigranes.«
    »Du siehst mich vor dir. Und nun?«
    »Nichts weiter!« sagte Sulla hochmütig. Seine Augenbrauen hoben sich, die Augen funkelten. »Ich habe dich gesucht, König Tigranes, und ich habe dich gefunden. Sobald ich dir erklärt habe, was mir aufgetragen wurde, werde ich mit meinem Heer den Rückmarsch nach Tarsos antreten.«
    »Was sollst du mir mitteilen, Römer?«
    »Der Senat und das Volk von Rom fordern dich auf, innerhalb der Grenzen deines Landes zu bleiben, König Tigranes. Armenien geht Rom nichts an. Aber wer in Kappadokien, Syrien oder Kilikien einmarschiert, fordert Rom heraus. Und Rom ist mächtig — Herrin aller Länder rings um das Mittelmeer, ein viel größeres Reich als Armenien. Roms Armeen wurden noch nie besiegt, und sie sind zahlreich. Deshalb solltest du dein Land besser nicht verlassen, König.«
    »Ich bin in meinem Land«, erklärte der König, verwirrt über diese unverblümte Drohung. »Rom ist der Eindringling!«
    »Ich erfülle nur meinen Auftrag, König, ich bin nur ein Botschafter«, sagte Sulla unbeeindruckt. »Ich hoffe, daß du mir gut zugehört hast.«
    »Ihr da!« sagte der König und hob eine Hand. Die Sklaven verschlangen wieder ihre kräftigen Arme und stiegen auf den Felsen, der König ließ sich auf ihren Armen nieder und wurde wieder mitsamt seinem Thron auf die Barke geschafft. Er wandte Sulla den Rücken zu. Die Barke kehrte über den schwerfälligen Fluß zurück. Tigranes bewegte sich nicht.
    »Gut, gut!« sagte Sulla zu seinem Sohn und rieb sich schadenfroh die Hände. »Wirklich ein seltsamer Haufen, diese östlichen Könige, mein Junge. Aufschneider, allesamt. Aufgeblasene Wichtigtuer, aber wenn es hart kommt, platzen sie wie eine volle Blase.« Er sah sich um und rief: »Morsimos!«
    »Hier bin ich, Lucius Cornelius!«
    »Gib den Befehl zum Aufbruch. Wir marschieren nach Hause.«
    »Welche Strecke?«
    »Nach Zeugma. Ich bezweifle, daß uns Kyzikenos von Syrien mehr Schwierigkeiten macht als dieser eingebildete Abfallhaufen, der da eben über den Fluß verschwindet. So sehr sie das Gefühl auch hassen mögen, sie haben doch alle Angst vor Rom. Das gefällt mir.« Sulla schnaubte verächtlich. »Nur schade, daß ich ihn nicht in eine Stellung bringen konnte, in der er zu mir aufblicken muß.«
    Sulla hatte sich nicht nur wegen der kürzeren und weniger gebirgigen Strecke für die südwestliche Richtung nach Zeugma entschieden. Die Vorräte gingen zur Neige, und das Getreide auf den Feldern war noch grün. Er hoffte jedoch, in den Tiefebenen des oberen Mesopotamien Getreide kaufen zu können. Seine Soldaten hatten längst genug von den Früchten und dem Gemüse, von denen sie seit dem Abmarsch aus Kappadokien gelebt hatten. Sie sehnten sich nach Brot. Dafür mußten sie die Hitze der mesopota- mischen Ebene ertragen.
    Als Sulla mit seinem Heer durch die Felsspalten südlich von Amida auf die Ebenen von Osroene hinabstieg, sah er, daß die Ernte bereits eingebracht worden war. Es gab also Brot im Überfluß. In Edessa besuchte er König Philoromaios. Osroene gab dem seltsamen Römer nur zu gerne, was er haben wollte, und ließ ihm auch noch eine recht alarmierende Neuigkeit zukommen.
    »Lucius Cornelius, ich fürchte, König Tigranes hat eine große Armee aufgestellt und verfolgt dich«, sagte König Philoromaios.
    »Ich weiß«, sagte Sulla gleichmütig.
    »Aber er wird dich angreifen! Und mich auch!«
    »Du brauchst dein Heer nicht zu mobilisieren, König. Sag deinen Leuten, sie sollen ihm aus dem Weg gehen. Tigranes macht sich nur wegen meiner Anwesenheit Sorgen. Wenn er sicher ist, daß ich wirklich nach Tarsos zurückkehre, wird er wieder nach Tigranokerta zurückkehren.«
    Sullas Ruhe und Selbstvertrauen beruhigten den König von Osroene. Er versorgte Sulla reichlich mit Getreide, um ihn schneller loszuwerden, und er gab ihm auch etwas, mit dem dieser schon gar nicht mehr gerechnet hatte — einen Beutel Goldmünzen, die nicht Osroenes Antlitz, sondern das des Königs Tigranes zeigten.
    Tigranes verfolgte Sulla den ganzen Weg bis nach Zeugma am Euphrat, hielt sich aber in so großer Entfernung, daß Sulla keinen Anlaß sah, ihn zum Kampf zu stellen. Der König verhielt sich eher vorsichtig als angriffslustig. Als Sulla seine Truppen bei Zeugma über den Fluß gesetzt hatte — was hier entschieden leichter vonstatten ging als in Samosata —, erhielt er Besuch von fünfzig Würdenträgern. Sie waren in einem für Römer

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