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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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äußerst befremdlichen Stil gekleidet — mit hohen, runden Hüten, die mit Perlen und goldenen Kügelchen besetzt waren; ihre Hälse waren in spiralförmige Kragen aus Golddraht gezwängt, die bis auf die Brust herabreichten, und sie trugen goldbestickte Mäntel und lange, steife, goldbestickte Röcke, die ihnen bis auf die Füße fielen, die in goldenen Schuhen steckten.
    Sulla war nicht überrascht, als er erfuhr, daß es sich um eine Abordnung des Partherkönigs handelte. Nur die Parther konnten sich in so viel Gold kleiden. Aufregend! Und eine Rechtfertigung dieses unvorhergesehenen, nicht genehmigten Ausflugs in die Länder östlich des Euphrat. Sulla wußte, daß Tigranes von Armenien unter der Herrschaft der Parther stand. Vielleicht konnte Sulla die Parther dazu bringen, auf Tigranes aufzupassen und zu verhindern, daß er den Schmeicheleien des Mithridates erlag.
    Dieses Mal würde er nicht zu Tigranes aufschauen — aber auch nicht zu den Parthern.
    »Ich werde mich mit den Parthern, die Griechisch sprechen, und mit König Tigranes übermorgen am Ufer des Euphrat treffen, und zwar an einem Ort, zu dem die Würdenträger von meinen Soldaten gebracht werden«, sagte Sulla zu Morsimos. Die Botschafter hatten ihn bisher noch nicht zu Gesicht bekommen, obwohl er sie bereits heimlich beobachtet hatte. Es war Sulla nicht entgangen, wie Mithridates und Tigranes auf seine Erscheinung reagiert hatten. Er wollte die Parther ebenfalls überraschen.
    Als geborener Schauspieler bereitete Sulla die Bühne für seinen Auftritt bis ins kleinste Detail vor. Er ließ ein riesiges, hohes Podium aus polierten Marmorplatten bauen, die er aus dem Tempel des Zeus in Zeugma entlieh. Auf dem Podium ließ er ein kleines Podest errichten, das gerade groß genug war, um einen kurulischen Stuhl aufzustellen zu können, und das Podium um fast einen halben Meter überragte. Das Podest wurde mit Platten aus rotem Marmor verkleidet, die zuvor den Sockel der Zeusstatue geziert hatten. Vornehme Stühle aus Marmor, deren Arm- und Rückenlehnen mit Darstellungen von Greifen und Löwen, Sphinxen und Adlern verziert waren, wurden aus der ganzen Stadt zusammengetragen und auf dem Podium aufgestellt, sechs auf einer Seite und ein einzelner, besonders prachtvoller Stuhl, der in der Form zweier geflügelter Löwen gestaltet war, auf der anderen Seite. Dieser einzelne Stuhl war für Tigranes bestimmt. Auf das kleine Podest aus rotem Marmor wurde Sullas kurulischer Stuhl aus Elfenbein gestellt, der im Vergleich mit den unten auf dem Podium stehenden Stühlen wacklig, schäbig und spartanisch aussah. Über die gesamte Konstruktion wurde ein großes Sonnensegel aus gold- und purpurgewirktem Stoff gespannt, der im Zeustempel den Vorhang vor dem inneren Heiligtum gebildet hatte.
    Kurz nach der Morgendämmerung am vereinbarten Tag führten Sullas Soldaten sechs der parthischen Botschafter zu dem Podium und wiesen ihnen die sechs Plätze auf der einen Seite zu. Die restlichen Gesandten mußten unten am Podium bleiben, aber auch sie erhielten Plätze unter einem Sonnenschutz zugewiesen. Tigranes wollte sofort auf das rote Marmorpodest steigen, wurde jedoch höflich aber bestimmt zu seinem königlichen Stuhl auf der anderen Seite des Podiums geleitet. Tigranes Stuhl und die Stühle der Parther bildeten einen tiefergelegenen Halbkreis um das rote Podest. Die Parther sahen Tigranes an, er sah sie an — und alle sahen dann zu dem roten Podest hinauf.
    Als alle ihre Plätze eingenommen hatten, betrat Lucius Cornelius Sulla das Podium. Er war in seine purpurgesäumte toga praetexta gekleidet und trug als Zeichen seines Amtes einen einfachen Stab aus Elfenbein. Der Stab war etwa dreißig Zentimeter lang und lag auf Sullas Oberarm; das eine Ende hielt Sulla in der Hand, das andere Ende lag in seiner Armbeuge. Sullas Haar leuchtete hell, auch nachdem er in den Schatten getreten war. Er schritt, ohne nach rechts oder links zu blicken, direkt auf die Stufen zu, die zu dem weißen Podium hinaufführten, und stieg von dort sofort die Stufen zu seinem Sitz auf dem oberen Podest hinauf. Dort setzte er sich kerzengerade auf seinen elfenbeinernen Stuhl ohne Rückenlehne und nahm die klassische Haltung ein: den einen Fuß nach vorn gestellt, den anderen nach hinten. Er sah aus wie der Inbegriff des Römers.
    Die Gesandten waren von diesem Schauspiel nicht erbaut, am wenigsten Tigranes, sie konnten jedoch nichts dagegen unternehmen. Man hatte sie so würdevoll zu ihren

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