Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
Vom Netzwerk:
seine Kräfte zunehmend nachließen. Er verließ Rom. Seine Mutter und die sechs Kinder, die in seinem Haus wohnten, schickte er in seine prächtige Villa am Meer bei Misenum. Er selbst reiste zuerst zu Silo, dann zu Mutilus, und begleitete dann beide Männer auf ihren Reisen durch ganz Italien.
    Drusus mußte feststellen, daß die im mittleren Italien lebenden italischen Völker kriegsbereit waren. Auf den Ritten mit Silo und Mutilus über die staubigen Straßen sah er ganze Legionen gut ausgerüsteter Truppen, die sich weit entfernt von römischen oder latinischen Siedlungen im Kampf übten. Aber er sagte nichts und stellte keine Fragen, denn er war noch immer überzeugt, daß die kriegerischen Übungen letztlich überflüssig sein würden. Er hatte ein noch nie dagewesenes Gesetzgebungsprogramm durchgebracht, und er hatte Senat und Volksversammlung überzeugt, daß Reformen der großen Gerichte, im Senat, beim ager publicus und bei der Getreideverteilung notwendig waren. Niemand — weder Tiberius Gracchus noch Gaius Gracchus noch Gaius Marius oder Saturninus — hatte erreicht, was er, Drusus, erreicht hatte. Niemand vor ihm hatte so viele umstrittene Gesetze ohne Gewalt und ohne Opposition im Senat und bei den Rittern durchgebracht. Er hatte Erfolg gehabt, weil man ihm glaubte, weil man ihn achtete, weil man ihm vertraute. Wenn er jetzt verkündete, er wolle das allgemeine Bürgerrecht für Italien einführen, würden sie ihm auch darin folgen, das wußte er, selbst wenn sie ihm nicht in allen Dingen zustimmen würden. Er würde weiterhin Erfolg haben! Und dann würde er, Marcus Livius Drusus, ein Viertel der Bevölkerung der römischen Welt als Klientel haben. Denn dann würde von einem Ende der italienischen Halbinsel bis zum anderen ein Eid der persönlichen Gefolgschaft geschworen werden, auch in Umbria und Etruria.

Ungefähr acht Tage bevor sich der Senat an den Kalenden des September wieder versammeln wollte, traf Drusus in seiner Villa in Misenum ein, um sich noch ein wenig zu erholen, bevor die härteste Arbeit begann. Seine Mutter war ihm immer wichtiger geworden — sie war für ihn eine Quelle der Freude und des Trostes, denn sie war witzig, klug, belesen und ruhig und hatte fast männliche Ansichten über diese von Männern geprägte Welt. An der Politik hatte sie ein lebhaftes Interesse, und sie hatte Drusus’ Gesetzesprogramm mit Stolz und Freude verfolgt. Als Cornelierin neigte sie zu einem gewissen Radikalismus und hatte zugleich konservative Ideale, so daß sie den meisterhaften Umgang ihres Sohnes mit den Traditionen von Senat und Volk billigte. Politiker sollten weder Gewalt noch Drohungen einsetzen, ihre einzigen Waffen sollten eine goldene Stimme und eine silberne Zunge sein! Marcus Livius Drusus hatte beides, und die Mutter sagte sich stolz, daß er diese Begabungen nicht von seinem schweinsköpfigen, stiernackigen und uneinsichtigen Vater haben konnte. Nein, er hatte sie von ihr.
    »Jetzt hast du Gerichte und Staatsland reformiert und den Bedürftigen geholfen«, sagte sie. »Kommt noch etwas?«
    Drusus atmete tief ein und sah sie ernst an. »Ich will ein Gesetz einbringen, nach dem jeder Mann in Italien das Bürgerrecht bekommt.«
    Die Mutter wurde blasser als ihr knochenfarbenes Kleid. »Nein, Marcus Livius!« rief sie. »Bisher haben sie alles mitgemacht, was du wolltest. Aber das werden sie nicht mitmachen!«
    »Warum nicht?« fragte er überrascht. Er hatte sich inzwischen an den Gedanken gewöhnt, daß ihm gelang, was niemand sonst gelang.
    »Der Schutz der Bürgerrechte ist Rom von den Göttern aufgetragen worden«, sagte sie, noch immer blaß. »Die Römer würden niemals zustimmen, auch wenn Quirinus selbst mitten auf dem Forum erscheinen und befehlen würde, das allgemeine Bürgerrecht einzuführen!« Sie ergriff seinen Arm. »Marcus Livius, laß ab von diesem Gedanken! Versuche es nicht!« Sie zitterte. »Ich flehe dich an, versuche es nicht!« »Ich habe geschworen, daß ich es versuchen werde, Mutter. Ich werde es tun!«
    Sie blickte lange in seine dunklen Augen. Dann füllten ihre eigenen, weniger auffälligen Augen sich mit Tränen, und sie seufzte und zuckte die Schultern. »Nun, ich kann dich nicht davon abbringen, das ist mir jetzt klar. Du bist nicht umsonst der Urgroßenkel des Scipio Africanus. Ach, mein Sohn, sie werden dich umbringen!«
    Drusus zog eine Augenbraue in die Höhe. »Warum sollten sie, Mutter? Ich bin weder Gaius Gracchus noch Saturninus. Ich halte

Weitere Kostenlose Bücher