MoR 02 - Eine Krone aus Gras
ausgeprägte Abneigung gegen Porcella, ihr Leben war deshalb eine verborgene Leidensgeschichte heimlicher Stöße, Kratzer und Schläge. Die catonische Hakennase stand ihr schlecht, aber sie hatte wundervolle dunkelgraue Augen und besaß ein angenehmes Wesen.
Der kleine Cato war beinahe drei Jahre alt und seinem Aussehen und Wesen nach wahrhaft ein Ungeheuer. Seine Nase schien schneller zu wachsen als der Rest seines Körpers und war weniger ein semitischer Haken als vielmehr ein römischer Höcker. Die Nase paßte überhaupt nicht zu seinem Gesicht, das überraschend gut geschnitten war — ein schöner Mund, schöne leuchtende und große hellgraue Augen, hohe Wangenknochen und ein kräftiges Kinn. Breite Schultern ließen einen stattlichen Körper erwarten, aber er war entsetzlich dürr, da er nicht viel aß. Der Kleine war furchtbar neugierig, eine Eigenschaft, die Drusus, und nicht nur er, besonders haßte. Eine klare und vernünftige Antwort auf eine der lauten und quälenden Fragen des kleinen Cato provozierte nur weitere Fragen, was bedeutete, daß Cato entweder begriffsstutzig oder zu stur war, um andere Gesichtspunkte zu verstehen. Eine seiner angenehmen Eigenschaften — und davon hatte er nicht viele! — war seine große Zuneigung zu Caepio, von dem er sich weder bei Tag noch bei Nacht trennen ließ. Wenn Cato unerträglich wurde, genügte es, ihm mit der Trennung von Caepio zu drohen.
Silos letzter Besuch bei Drusus hatte kurze Zeit nach dem zweiten Geburtstag des kleinen Cato stattgefunden. Jetzt war Drusus Volkstribun, und Silo hielt es nicht für klug, Rom zu zeigen, daß ihre Freundschaft noch immer unverändert stark war. Silo hatte selbst Kinder, er war deshalb immer gerne in das Kinderzimmer gegangen, wenn er in Drusus’ Haus weilte. Der kleinen Spionin Servilia hatte er dabei besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Er hatte ihr geschmeichelt und hatte ihre Verachtung für ihn, der nur ein Italiker war, großzügig und lachend hingenommen. Silo mochte die vier mittleren Kinder gerne und spielte und lachte mit ihnen. Den kleinen Cato jedoch mochte er nicht, obwohl er Drusus keinen vernünftigen Grund dafür geben konnte.
»Ich komme mir wie ein Tier vor, wenn ich ihn sehe«, sagte Silo zu Drusus. »Meine Sinne und Instinkte sagen mir, daß er ein Feind ist.«
Auch die spartanische Selbstdisziplin des Kindes irritierte Silo, obwohl diese Tugend im allgemeinen als bewundernswerte Eigenschaft galt. Wenn er den kleinen Burschen nach einem unangenehmen Unfall oder einer schmerzhaften Beleidigung tränenlos und mit zusammengebissenen Zähnen leiden sah, sträubten sich Silos Haare, und seine Wut nahm zu. Warum mochte er den Jungen nicht? Aber er fand keine befriedigende Antwort. Vielleicht lag der Grund darin, daß der kleine Cato sich nie die Mühe machte, seine Verachtung für die Italiker zu verbergen, was natürlich auf den schlechten Einfluß Servilias zurückzuführen war. Servilias Verachtung freilich störte Silo nicht weiter.
Eines Tages war Cato wieder einmal damit beschäftigt, unangenehme und quälende Fragen an Drusus zu richten, ohne die Geduld und Freundlichkeit, die Drusus ihm gegenüber zeigte, zur Kenntnis zu nehmen. Silo geriet darüber in solche Wut, daß er das Kind packte und zum Fenster hinaushielt. Das Fenster lag über dem Steingarten mit vielen spitzen Steinen.
»Sei vernünftig, Cato, oder ich lasse dich fallen!« sagte Silo.
Der junge Cato hing still in Silos Händen. Er wirkte trotzig und völlig beherrscht. Silo konnte ihn schütteln, wie er wollte, seine Hände öffnen, als wolle er ihn fallenlassen, oder auf andere Art drohen, der Junge gab nicht nach. Schließlich setzte Silo, der Verlierer des Kampfes, den Jungen wieder auf den Boden und schüttelte den Kopf.
»Nur gut, daß er noch ein kleines Kind ist«, sagte er. »Wenn er bereits ein Mann wäre, hätte Italien keine Chance, Rom zu überzeugen.«
Bei einer anderen Gelegenheit fragte Silo Cato, wen er am liebsten habe.
»Meinen Bruder«, war die Antwort.
»Und nach ihm?«
»Meinen Bruder.«
»Aber wen magst du nach deinem Bruder am liebsten?«
»Meinen Bruder.«
Silo sah Drusus an. »Mag er sonst niemanden? Dich oder seine Großmutter?«
Drusus zuckte die Schultern. »Anscheinend mag er niemanden außer seinem Bruder, Quintus Poppaedius.«
Viele Leute dachten über den kleinen Cato ähnlich wie Silo. Der Junge rief keine Zuneigung hervor.
Die Kinder hatten sich in zwei Gruppen gespalten. Die älteren
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