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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Kinder hatten sich gegen die Kinder des Cato Salonianus verschworen, und aus dem Kinderzimmer waren dauernd Kriegsgeheul und Schlachtrufe zu hören. Eigentlich hätte man annehmen müssen, die Kinder der Familien Servilius und Livius würden die Oberhand behalten und mit den viel kleineren Kindern des Cato Salonianus leicht fertigwerden. Aber als der kleine Cato zwei Jahre alt wurde und seinen mageren Leib in das Schlachtgetümmel warf, erlangten er und seine Geschwister ganz allmählich die Oberhand. Mit Cato konnte es niemand aufnehmen, denn er ließ sich weder durch Schmeicheleien noch durch Gebrüll oder Argumente überwältigen. Er mochte zwar ein langsamer Lerner sein, soweit es um Fakten ging, aber er war der geborene Gegner — unbesiegbar, ausdauernd, laut und gnadenlos, ein Ungeheuer.
    Drusus faßt seiner Mutter gegenüber die verschiedenartigen Charaktere im Kinderzimmer zusammen: »In unserem Kinderzimmer sind alle Schattenseiten Roms vertreten.«

    Außer Drusus und den italischen Führern hatten auch andere Männer den Sommer hindurch gearbeitet. Caepio hatte den Rittern eifrig geschmeichelt und zusammen mit Varius in der Volksversammlung gegen Drusus agitiert, und Philippus, dessen Lebensstil das Volumen seiner Geldbörse überstieg, ließ sich von einer Gruppe von Rittern und Senatoren bestechen, deren Vermögen vor allem auf Latifundien beruhte.
    Natürlich ahnte niemand, was kommen würde. Der Senat wußte nur, daß Drusus sich für die Kalenden des September Redezeit erbeten hatte, und die Senatoren platzten fast vor Neugier. Viele von ihnen, die sich von Drusus’ Rede im Frühjahr hatten mitreißen lassen, wünschten sich nun, Drusus hätte weniger gut gesprochen. Das anfängliche Engagement der Senatoren für eine Sache, von der Drusus sie überzeugt hatte, war verschwunden. Die Männer, die sich jetzt in der Curia Hostilia versammelten, waren entschlossen, ihre Ohren gegenüber Drusus’ magischer Redekraft zu verschließen.
    Sextus Julius Caesar leitete die Sitzung, denn der September gehörte zu den Monaten, in denen er die fasces innehatte. Das hieß, daß die einleitenden Rituale streng befolgt wurden. Die Senatoren warteten unruhig, während die Omen befragt, die Gebete gesprochen und schließlich die heiligen Gegenstände weggeräumt wurden. Endlich ging der Senat zu den anstehenden Geschäften über; die Dinge der Tagesordnung, die Vorrang vor der Rede eines Volkstribunen hatten, wurden außerordentlich schnell erledigt.
    Es war soweit. Drusus erhob sich von der Bank der Tribunen, die eine Stufe unterhalb der Plätze der Konsuln, Prätoren und kurulischen Adilen stand, und ging zu seinem gewohnten Redeplatz vor dem großen Bronzeportal, das er wie bei seinen früheren Reden hatte schließen lassen.
    »Hochgeehrte Väter des Volkes, Mitglieder des Senats von Rom«, begann er leise, »vor einigen Monaten habe ich hier in diesem Hause von einem großen Übel gesprochen, das unserem Gemeinwesen innewohnt — dem Übel des ager publicus. Heute will ich über ein noch viel größeres Übel sprechen, als es der ager publicus je war. Ein Übel, das uns und Rom vernichten wird, wenn wir es nicht bekämpfen. Das Übel, von dem ich spreche, betrifft die Menschen, die Seite an Seite mit uns auf dieser Halbinsel leben. Ich meine die Menschen, die wir Italiker nennen.«
    Ein Summen stieg aus der Versammlung weißgekleideter Senatoren auf, und es klang eher wie aufkommender Wind oder ein ferner Schwarm Wespen als wie menschliche Stimmen. Drusus hörte das Summen, verstand, was es bedeutete, und setzte unbeirrt seine Rede fort.
    »Wir behandeln diese Tausende und Abertausende von Menschen wie drittklassige Bürger. Das ist die Wahrheit! Der erstklassige Bürger ist der Römer. Der zweitklassige Bürger ist der Latiner. Der drittklassige Bürger ist der Italiker. Er wird für unwert befunden, an unseren Versammlungen teilzunehmen. Er muß Steuern zahlen und sich auspeitschen, bestrafen, vertreiben, ausplündern und ausbeuten lassen. Seine Söhne sind vor uns nicht sicher, seine Frauen und sein Besitz sind es auch nicht. Er muß in unseren Kriegen kämpfen und die Truppen, die er uns stellt, selbst bezahlen, und er muß hinnehmen, daß seine Truppen durch uns befehligt werden. Hätten wir unsere Versprechen gehalten, so müßte er weder römische noch latinische Kolonien in seinen Ländern dulden — denn als Gegenleistung für ihre Truppen und Steuern haben wir den italischen Völkern völlige

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