MoR 02 - Eine Krone aus Gras
priesen auch jene Senatoren den Vorschlag, die sonst nicht so leicht zu beeindrucken waren. So wurde der Prätor Servius Sulpicius Galba in die Gebiete südlich von Rom geschickt, um Erkundigungen einzuziehen, und der Prätor Quintus Servilius aus der Familie der Auguren erhielt den Auftrag, dasselbe nördlich von Rom zu tun. Beide Prätoren durften einen Legaten mitnehmen, wurden mit einem prokonsularischen Imperium ausgestattet und erhielten genügend Geld, um angemessen reisen zu können.
Außerdem wurde ihnen ein kleiner Trupp ehemaliger Gladiatoren als Leibwache zugebilligt.
Silo war wenig erfreut, als er hörte, der Senat habe zwei Prätoren mit der Untersuchung einer Angelegenheit betraut, die Catulus Caesar beharrlich als »italische Frage« bezeichnete. Mutilus von Samnium, der wegen der Auspeitschung und Hinrichtung von zweihundert tapferen Männern auf der Via Appia bereits vor Wut schäumte, wollte diese neue Herausforderung als Kriegserklärung werten. Drusus schrieb Brief auf Brief und beschwor beide Männer, ihm noch eine Chance zu geben und die weitere Entwicklung abzuwarten.
In der Zwischenzeit rüstete er sich für den Kampf und machte sich daran, den Senat über seine Pläne für eine Verteilung verbilligten Getreides zu unterrichten. Wie die Verteilung des ager publicus ließ sich auch die Zuteilung von verbilligtem Getreide nicht auf die unteren Schichten beschränken. Jeder römische Bürger, der bereit war, sich in der langen Schlange vor dem Stand der Ädilen in der Porticus Minucia anzustellen, erhielt einen Gutschein ausgehändigt, der ihn dazu berechtigte, fünf modii Weizen aus staatlichen Beständen zu beziehen. Dann mußte er zu den Getreidespeichern unterhalb der aventinischen Felsen gehen, den Gutschein vorlegen und seinen Weizen selbst nach Hause karren. Sogar unter reichen und privilegierten Römern gab es welche, die dieses Recht persönlich in Anspruch nahmen — zum Teil, weil sie unverbesserliche Geizhälse waren, zum Teil aus Prinzip. Im allgemeinen jedoch stand, wer es sich leisten konnte, nicht persönlich an, um billiges Getreide zu bekommen. Statt dessen ließ man ein paar Münzen in die Hand eines Sklaven fallen und befahl ihm, den Weizen in den privaten Getreidehandlungen am Vicus Tuscus einzukaufen. Im Vergleich zu anderen Lebenshaltungskosten in der Stadt Rom — Mieten zum Beispiel, die immer verhältnismäßig hoch waren —, war die Summe von fünfzig oder hundert Sesterzen pro Person und Monat für den bei privaten Händlern eingekauften Weizen verschwindend gering. Deshalb waren die meisten der Menschen, die persönlich für Gutscheine anstanden, tatsächlich bedürftige Bürger der fünften Klasse und besitzlose Plebejer.
»Das Staatsland wird auf keinen Fall für alle Bürger Roms ausreichen«, erklärte Drusus im Senat. »Aber wir dürfen die Bedürftigen nicht vergessen. Wir dürfen ihnen keinen Grund geben anzunehmen, sie seien wieder einmal übergangen worden. Die Getreidespeicher Roms sind groß genug, Senatoren, um alle römischen Bürger zu ernähren! Wenn wir den Plebejern schon kein Land geben können, müssen wir ihnen verbilligtes Getreide geben. Zu einem Einheitspreis von fünf Sesterzen pro Scheffel, der jahrein, jahraus gleich bleibt, unabhängig davon, ob es wenig oder viel Getreide gibt. Die Staatskasse kann das finanzieren. In Zeiten des Überflusses kauft sie Weizen für zwei bis vier Sesterze pro Scheffel, und sie kann ihn dann für fünf Sesterze verkaufen und so einen kleinen Gewinn erzielen, mit dem finanzielle Verluste in Zeiten der Knappheit ausgeglichen werden können. Ich schlage vor, daß zu diesem Zweck in der Staatskasse ein Sonderkonto eingerichtet wird, auf dem ausschließlich Zahlungen für Getreide verbucht werden. Wir dürfen nicht den Fehler machen, den gesamten Staatshaushalt zur Finanzierung dieses Gesetzes heranzuziehen.«
»Und wie, Marcus Livius, willst du das Geld für diese Großzügigkeiten aufbringen?« fragte Lucius Marcius Philippus gedehnt.
Drusus lächelte. »Ich habe an alles gedacht, Lucius Marcius. Das Gesetz sieht vor, einen Teil unserer Münzen zu verschlechtern.«
Im Senat entstand Unruhe, und Gemurmel war zu hören. Niemand mochte es, wenn von Münzverschlechterung gesprochen wurde, denn die meisten Senatoren waren ausgesprochen konservativ denkende Männer, wenn es um die Staatskasse ging. Die Münzverschlechterung war kein anerkanntes Instrument römischer Politik, sie galt als griechische List. Nur
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