MoR 02 - Eine Krone aus Gras
dachte Sulla, waltete ein Stück weit Gerechtigkeit. Nach dem Tod von Metellus Schweinebacke war sein Priesteramt durch Wahl an den jungen Gaius Aurelius Cotta gegangen: ein hervorragendes Beispiel dafür, wie durch die Einführung einer Wahl das Recht einer Familie auf Ämter zunichte gemacht wurde, die immer erblich gewesen waren.
Nachdem die Bestattung vorüber war, wurden die Geschäfte im Senat und in den Komitien wieder aufgenommen. Pompeius Strabo erbat sich als Legaten Poplicola und Brutus Damasippus und bekam sie auch, sein dritter Legat, Gnaeus Octavius Ruso, erklärte, er könne Rom besser in Rom dienen, was jedermann so verstand, daß er am Ende des Jahres Konsul werden wollte. Cinna und Cornutus führten ihre Operationen in den Gebieten der Marser fort, und Servius Sulpicius Galba zog weiter gegen die Marukkiner, die Vestiner und die Paeligner zu Felde.
»Alles in allem eine gute Zusammenstellung«, sagte Sulla zu seinem Amtskollegen Quintus Pompeius Rufus.
Der Ausspruch fiel bei einem Festessen der Familie im Haus von Pompeius Rufus, mit dem die neuerliche Schwangerschaft von Cornelia Sulla gefeiert wurde. Diese Nachricht hatte Sulla nicht mit der gleichen Freude erfüllt wie Aelia und alle Mitglieder der Familie Pompeius Rufus, aber sie brachte ihn immerhin dazu, seinen Familienpflichten nachzukommen und endlich seine Enkeltochter anzuschauen, die nach Aussagen ihres anderen Großvaters, Sullas Mitkonsul, das schönste und vollkommenste Baby war, das je das Licht der Welt erblickt hatte.
Pompeia war jetzt fünf Monate alt und tatsächlich sehr hübsch, wie Sulla im stillen zugeben mußte. Sie hatte dichte, dunkelrote Locken, schwarze Augenbrauen und so dichte und lange schwarze Wimpern, daß sie wie Fächer über den riesigen grünen Augen lagen. Ihre Haut war hauchzart, ihr Mund ein lieblicher, roter Bogen, und wenn sie lächelte, erschien auf einer ihrer rosigen Wangen ein Grübchen. Sulla hielt sich keineswegs für einen Experten für Säuglinge, aber Pompeia schien ihm doch ein eher träges und dummes Kind zu sein, das nur lebendig wurde, wenn man ihm etwas Goldenes oder Glitzerndes vor der Nase baumeln ließ. Ein Omen, dachte Sulla, und lachte in sich hinein.
Seine Tochter war glücklich, das war offensichtlich, und auf eine entfernte, abstrakte Weise gefiel das Sulla. Er liebte sie nicht, aber wenn sie ihn nicht ärgerte, hatte er sie ganz gern. Und manchmal huschte ein Ausdruck über ihr Gesicht, der ihn an ihren toten Bruder erinnerte — in der Art, wie sie aufblickte oder lächelte —, und dann erinnerte er sich daran, daß ihr Bruder sie heiß geliebt hatte. Wie ungerecht war das Leben! Warum mußte Cornelia Sulla, ein nutzloses Mädchen, gesund und blühend heranwachsen und sein Sohn so früh sterben? Es hätte umgekehrt sein müssen, in einer richtig geordneten Welt hätte der pater familias die Wahl gehabt.
Er dachte nie an seine beiden germanischen Söhne, die er gezeugt hatte, als er bei den Germanen lebte, hatte nie das Verlangen, sie zu sehen, und empfand sie in keiner Weise als Ersatz für den geliebten Sohn von Julilla. Denn sie waren keine Römer, ihre Mutter war eine Barbarin. Er dachte immer nur an seinen Sohn Sulla und spürte eine Leere, die nie mehr gefüllt werden konnte. Und hier vor seiner Nase saß seine Tochter, die er ohne Zögern augenblicklich dem Tod ausgeliefert hätte, wenn er dafür seinen Sohn zurückbekommen hätte.
»Wie schön, daß sich alles so zum Guten gewendet hat«, sagte Aelia zu ihm, als sie ohne die Begleitung von Sklaven nach Hause gingen.
Da Sullas Gedanken noch immer um die Ungerechtigkeit des Lebens kreisten, das ihm den Sohn genommen und nur ein nutzloses Mädchen gelassen hatte, hätte die arme Aelia in diesem Moment keine unpassendere Bemerkung machen können.
Er schlug augenblicklich zurück, giftig und haßerfüllt. »Betrachte dich von diesem Augenblick an als geschieden!« zischte er.
Sie blieb wie angewurzelt stehen. »Ach, Lucius Cornelius, bitte denk doch noch einmal darüber nach! « rief sie, außer sich über diesen vernichtenden Schlag.
»Such dir ein anderes Zuhause. In meines gehörst du nicht mehr.« Sulla machte kehrt und schritt in Richtung Forum davon. Aelia ließ er mutterseelenallein auf dem Clivus Victoriae stehen.
Als sie sich so weit von dem Schlag erholt hatte, daß sie wieder denken konnte, drehte sie sich ebenfalls um, aber nicht in Richtung Forum. Sie kehrte in das Haus von Quintus Pompeius Rufus
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