MoR 02 - Eine Krone aus Gras
seiner eigenen, konnte sie nicht wissen.
Und da stand nun Sulla, von ebenso edler und adliger Abkunft wie ihr toter Ehemann, und entblößte sich vor ihr ohne Scham, sein Glied erschien ihr so riesig und fest aufgerichtet, wie das des Priapos auf der Bronzestatue in Scaurus’ Arbeitszimmer. Delmatica war nicht unvertraut mit den Geschlechtsteilen von Mann und Frau, denn sie waren überall im Haus zu sehen: an den Hermen, den Lampen, den Säulenfüßen von Tischen, selbst auf einigen Gemälden an der Wand. Aber mit dem ehelichen Leben schien all das nicht das Geringste zu tun zu haben. Das Eheleben hatte ihr einen Mann beschert, der sich ihr niemals zeigte. Und obwohl er zwei Kinder gezeugt hatte, hätte er ganz anders aussehen können als Priapos oder die Möbel und Ziergegenstände, und sie hätte es nicht gemerkt.
Vor vielen Jahren, als sie Sulla bei jenem Abendessen zum ersten Mal gesehen hatte, war sie von seiner Schönheit hingerissen gewesen. Sie hatte noch nie einen so herrlichen, harten, starken und doch so — wie sollte sie sagen? — weiblichen Mann gesehen. Was sie damals für ihn empfunden hatte — und in der Zeit, in der sie ihm nachspioniert hatte, während er in Rom Stimmen für die Wahl zum Prätor sammelte —, war nicht bewußt körperlicher Natur gewesen, denn sie war eine verheiratete Frau und kannte die körperliche Seite der Liebe; sie zählte sie zu den unwichtigsten und unerfreulichsten Aspekten. Sie hatte für Sulla geschwärmt wie ein Schulmädchen, eine Schwärmerei aus Luft und Wind, nicht aus Feuer und Wasser. Hinter Säulen und Markisen verborgen, hatte sie ihn verzückt angeschaut und eher von seinen Küssen als von seinem Glied geträumt, hatte mit glühender und romantischer Sehnsucht nach ihm geschmachtet. Sie wollte von ihm erobert werden, wollte, daß er ihr Sklave wurde, wollte ihren süßen Sieg auskosten, wenn er ihr zu Füßen lag und vor Liebe zu ihr weinte.
Ihr Mann hatte sie schließlich gestellt, und da hatte sich mit einem Schlag ihr ganzes Leben verändert. Aber die Liebe zu Sulla war geblieben.
»Du hast dich lächerlich gemacht, Caecilia Metella Delmatica«, hatte Scaurus kalt und ruhig zu ihr gesagt. »Aber — und das ist viel schlimmer — du hast auch mich lächerlich gemacht. Die ganze Stadt lacht über mich, den ersten Mann Roms. Und das muß aufhören. Du hast in der denkbar albernsten Weise einen Mann angeschmachtet und angeschwärmt und nach ihm geseufzt, der dich weder ermutigt noch auch nur beachtet hat, der deine Aufmerksamkeiten nicht will und den ich gezwungenermaßen bestraft habe, um meinen eigenen Ruf zu retten. Hättest du nicht ihn und mich in Verlegenheit gebracht, wäre er jetzt Prätor, wie er es verdient hätte. Du hast über zwei Männer Schande gebracht, über deinen Ehemann und über einen Mann von untadeligem Anstand. Daß ich mich selbst nicht als untadelig bezeichne, liegt daran, daß ich schwach war und dieses demütigende Treiben so lange fortdauern ließ. Ich habe immer gehofft, daß du selbst deine Verirrung einsehen und Rom damit beweisen würdest, daß du doch eine würdige Frau für den Princeps Senatus bist. Die Zeit hat jedoch gezeigt, daß du eine würdelose Närrin bist. Und es gibt nur einen Weg, mit einer würdelosen Närrin umzugehen. Du wirst dieses Haus nie mehr verlassen, zu keinem Anlaß. Du gehst weder zu einer Bestattung noch zu einer Hochzeit, weder zu Freundinnen noch zum Einkaufen. Du darfst auch keine Freundinnen hier empfangen, weil ich deiner Vernunft nicht trauen kann. Ich muß dir sagen, daß du ein dummes und hohles Geschöpf bist, keine Frau für einen Mann meiner auctoritas und dignitas. Jetzt geh.«
Natürlich hatte ihn diese vernichtende Mißbilligung nicht davon abgehalten, den Körper seiner Frau zu suchen, aber er war alt und wurde älter und wollte immer seltener mit ihr schlafen. Durch die Geburt des Sohnes gewann sie ein wenig von seiner Wertschätzung zurück, aber die Regeln ihrer Gefangenschaft lockerte er nicht. Und in ihren Träumen, in ihrer Einsamkeit, in der ihr die Zeit wie ein Bleichgewicht um den Hals hing, dachte sie noch immer an Sulla, liebte sie ihn noch immer. Eine unreife Liebe, die einem jugendlichen Herzen entsprungen war.
Als Sulla jetzt nackt vor ihr stand, erwachte kein sexuelles Verlangen in ihr, sondern sie spürte eine Art atemloses Staunen über seine Schönheit und seine Männlichkeit, und schlagartig traf sie die Erkenntnis, daß der Unterschied zwischen Sulla und
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