MoR 02 - Eine Krone aus Gras
beträchtliche Zahl von Senatoren ist überdies im Exil dank der Bemühungen der Kommissionen des Varius und des Plautus. Andere wie Publius Rutilius Rufus sind selbst ins Exil gegangen.
Daher, verehrte Zensoren Publius Licinius und Lucius Julius, ersuche ich euch dringlich, alles zu tun, was in unserer Macht steht, damit sich die Reihen im Senat wieder füllen. Gebt Männern von Format und Ehrgeiz in der Stadt die Möglichkeit, die beklagenswert ausgedünnten Ränge des Senats zu füllen. Ermutigt auch Hinterbänkler, ihre Meinung zu äußern und höhere Ämter zu übernehmen. Allzuoft sind nicht genug Männer anwesend, damit der Senat beschlußfähig ist. Und wie kann der Senat von Rom behaupten, er sei das höchste Regierungsorgan, wenn er nicht einmal beschlußfähig ist?«
Und damit, dachte Sulla, war die Sache erledigt. Er hatte getan, was er konnte, um die Regierungsarbeit in Rom in Gang zu halten, und hatte zwei trägen Zensoren einen öffentlichen Tritt in den Hintern gegeben, damit sie ihre Pflicht besser erfüllten. Jetzt war es Zeit, den Krieg gegen die Italiker zu beenden.
VIII. Kapitel
Sulla hatte einen Aspekt seines Regierungsamtes völlig unbeachtet gelassen, einen Aspekt, der seit dem Tod des verehrten Marcus Aemilius Scaurus allerdings auch den meisten anderen nicht bewußt war. Scaurus’ Nachfolger Lucius Valerius Flaccus hatte einen halbherzigen Versuch unternommen, Sulla darauf aufmerksam zu machen; er hatte seinem Versuch jedoch nicht den erforderlichen Nachdruck verliehen. Sulla selbst konnte für diese Unachtsamkeit nicht verantwortlich gemacht werden. Italien war das Zentrum des römischen Weltreichs geworden, und wer mit der Verwaltung dieses chaotischen Gebildes zu tun hatte, war nicht in der Lage, größere Zusammenhänge wahrzunehmen.
Scaurus hatte sich in einer seiner letzten Amtshandlungen mit dem Schicksal der beiden entthronten Könige Nikomedes von Bithynien und Ariobarzanes von Kappadokien befaßt. Der rührige alte Senatsvorsitzende hatte eine Abordnung nach Kleinasien entsandt, die das Treiben des pontischen Königs Mithridates untersuchen sollte. Manius Aquillius führte die Delegation an. Er hatte sich schon bei der Schlacht von Aquae Sextiae als Gesandter des Gaius Marius verdient gemacht, war während des fünften Konsulats von Marius dessen Amtskollege gewesen und hatte die Sklavenaufstände in Sizilien erfolgreich niedergeschlagen. Aquillius wurde von zwei weiteren Gesandten, Titus Manlius Mancinus und Gaius Mallius Maltinus, sowie den beiden Königen Nikomedes und Ariobarzanes begleitet. Scaurus hatte der Gesandtschaft einen klar umrissenen Auftrag mitgegeben: Die beiden Könige sollten wieder eingesetzt und Mithridates in seine Grenzen verwiesen werden.
Manius Aquillius hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um von Scaurus mit der Führung der Gesandtschaft beauftragt zu werden, denn aufgrund der durch den Krieg gegen Italia entstandenen Verluste war er in eine verzweifelte finanzielle Lage gekommen. Sein Amt als Statthalter Siziliens, zehn Jahre zuvor, hatte ihm bei seiner Rückkehr nach Rom lediglich einen Prozeß eingebracht. Obwohl er freigesprochen worden war, hatte sein Ruf gelitten. Das Gold, das sein Vater von König Mithridates V. als Gegenleistung für die Abtretung großer Teile Phrygiens an Pontos erhalten hatte, war schon lange ausgegeben, obwohl der Makel des Goldes immer noch an dem Sohn haftete. Scaurus seinerseits hielt unbeirrbar daran fest, Ämter nach Erbrechten zu vergeben; außerdem konnte er annehmen, daß der Vater den Sohn über Phrygien und Pontos informiert hatte. Er betrachtete es daher als ein Gebot der Vernunft, Manius Aquillius mit der Wiedereinsetzung der beiden Könige zu betrauen, und er erlaubte ihm sogar, sich seine Begleiter selbst auszusuchen.
Die Folge davon war, daß die Delegation mehr am Geld als an der Gerechtigkeit und mehr an neuen Geldquellen als am Wohl ausländischer Völker interessiert war. Schon vor den ersten Vorbereitungen für die Reise nach Kleinasien hatte Manius Aquillius mit dem siebzigjährigen König Nikomedes einen lukrativen Handel abgeschlossen, und wie von Zauberhand waren auf seinem Bankkonto hundert Talente bithynischen Goldes aufgetaucht. Aquillius’ finanzielle Lage war derart angespannt, daß er ohne diese Zuwendung Rom nicht hätte verlassen dürfen, denn als Senator war er verpflichtet, eine offizielle Erlaubnis für die Ausreise aus Italien einzuholen, und er hätte niemals unbemerkt ausreisen
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