MoR 02 - Eine Krone aus Gras
worum ich ihn nun gebeten habe, also wende dich an ihn, wenn du in Not bist. In Rom wende dich an Titus Pomponius.« Er schob sie weg. »Nun geh, Julia, geh!«
Sie ging und sah über die Schulter noch einmal zurück. Aber Marius hatte sich schon abgewandt und sprach mit Lucius Decumius. Er sah ihr nicht nach. Stolz erfüllte ihr Herz. So sollte es sein! Wenn wichtige Dinge erledigt werden mußten, durfte ein Mann nicht seine Zeit damit verschwenden, sehnsüchtig seiner Frau nachzuschauen. Strophantes und sechs kräftige Sklaven warteten in der Nähe des Tores, um sie heimzubegleiten. Julia hob den Kopf und machte sich energischen Schrittes auf den Heimweg.
»Lucius Decumius, du mußt Pferde für uns mieten. Ich kann zur Zeit nicht besonders gut reiten, aber ein Einspänner wäre zu auffällig.« Marius sah seinen Sohn an. »Hast du die Tasche mit Gold mitgebracht, die ich für Notfälle bereitgestellt habe?«
»Ja. Und eine Tasche mit Silberdenaren. Und hier habe ich den Brief an Marcus Granius für dich, Lucius Decumius.«
»Gut. Gib Lucius Decumius auch etwas von dem Silber.«
Und so floh Gaius Marius aus Rom. Er und sein Sohn ritten auf Pferden, den Esel führten sie an einer Leine mit.
»Warum nehmen wir kein Boot über den Fluß und versuchen, einen Hafen in Etruria zu erreichen?« fragte der junge Marius.
»Weil ich glaube, daß Publius Sulpicius diesen Weg nimmt. Ich möchte direkt nach Ostia, das ist die kürzeste Strecke.« Marius hatte sich entspannt, weil das Prickeln und die Taubheit deutlich nachgelassen hatten — oder hatte er sich nur daran gewöhnt?
Es war noch nicht ganz dunkel, als sie sich den Außenbezirken von Ostia näherten und die Stadtmauern vor sich aufragen sahen.
»Keine Torwachen, Vater«, sagte der junge Marius, mit dessen Augen die seines Vaters inzwischen nicht mehr mithalten konnten.
»Dann nichts wie hinein, bevor welche aufgestellt werden, mein Sohn. Reiten wir zu den Docks hinunter, und schauen wir uns dort um.«
Marius wählte eine Hafentaverne aus, die einen vertrauenerweckenden Eindruck machte, und beauftragte seinen Sohn damit, die Pferde und den Esel in der dunkelsten Ecke zu verstecken, die er finden konnte. Er selbst machte sich auf die Suche nach einem Schiff, das sie mieten konnten.
Offensichtlich war die Kunde von der Besetzung Roms noch nicht bis Ostia gedrungen. Allerdings drehte sich das Gespräch überall um Sullas historischen Marsch. Als Gaius Marius ein Gasthaus betrat, erkannten die Anwesenden ihn, aber niemand verhielt sich so, als sei er ein bekannter Flüchtling.
»Ich muß schnellstens nach Sizilien«, sagte Marius und spendierte eine Runde Wein für alle. »Gibt es ein gutes Schiff, das bereit zum Ablegen ist?«
»Meines kannst du zu einem angemessenen Preis haben«, sagte ein grobschlächtiger Mann und lehnte sich vor. »Publius Murcius zu deinen Diensten, Gaius Marius.«
»Wenn wir heute Nacht los können, Publius Murcius, sind wir uns einig.«
»Ich kann kurz vor Mitternacht den Anker lichten«, sagte Murcius.
»Ausgezeichnet!«
»Bezahlung im voraus.«
Kurz nachdem die beiden Männer sich einig geworden waren, kam der junge Marius in die Gaststube. Marius stand auf, sah sich lächelnd um, sagte: »Mein Sohn!« und zog den jungen Marius nach draußen.
»Du kommst nicht mit mir«, sagte er, sobald sie draußen waren. »Ich will, daß du dich allein nach Ischia durchschlägst. Du bist viel mehr gefährdet, wenn du mit mir kommst. Nimm den Esel und die beiden Pferde und reite nach Tarracina.«
»Und warum kommst du nicht mit mir, Vater? Tarracina wäre sicherer.«
»Ich halte einen so langen Ritt nicht mehr durch, mein Junge. Ich nehme das Schiff und hoffe, daß der Wind mitspielt.« Er gab seinem Sohn einen schnellen Kuß auf die Stirn. »Nimm das Gold und laß mir das Silber.«
»Jeder die Hälfte, Vater, oder ich nehme gar nichts.«
Marius seufzte. »Mein Sohn, warum konntest du mir nicht sagen, daß du den Konsul Cato getötet hast? Warum hast du es abgestritten?«
Verblüfft starrte sein Sohn ihn an. »Das fragst du mich jetzt? In diesem Augenblick? Ist es denn so wichtig?«
»Für mich ja. Wenn Fortuna mich verlassen hat, sehen wir uns vielleicht nie wieder. Warum hast du mich angelogen?«
Der junge Marius lächelte reumütig. Wie ähnlich er Julia sah! »Ach, Vater! Man weiß nie, was du hören willst! Das ist der Grund. Wir alle versuchen, dir zu sagen, was du hören willst. Das ist die Strafe, die du dafür zahlen mußt,
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