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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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daß du ein großer Mann bist! Mir schien es vernünftiger, die Tat abzustreiten, denn es hätte sein können, daß du in einer Stimmung warst, in der du nur das moralisch Richtige hättest gelten lassen. In diesem Fall hättest du nicht gewollt, daß ich die Tat zugebe, denn dann hättest du mich verurteilen müssen. Wenn ich das falsch eingeschätzt habe, tut es mir leid. Ich konnte es nicht einschätzen, denn du hattest dich zurückgezogen wie eine Schnecke in ihr Haus.«
    »Ich hielt dich für ein verzogenes Kind!«
    »Ach, Vater!« Der junge Marius schüttelte den Kopf, und in seinen Augen schimmerten Tränen. »Kein Kind eines großen Mannes ist verzogen. Überlege doch nur, an welchem Maßstab ich mich messen lassen muß! Du schreitest wie ein Titan durch unsere Welt, und wir laufen dir dabei zwischen den Füßen herum und überlegen die ganze Zeit nur, was du willst und wie wir es dir recht machen können. Niemand in deiner Umgebung kann es mit dir aufnehmen, weder an Klugheit noch an Fähigkeiten. Dazu zähle ich auch mich, deinen Sohn.«
    »Dann gib mir noch einen Kuß und dann geh.« Diesmal kam die Umarmung von Herzen. Marius war überrascht, daß er so starke Gefühle für seinen Sohn hatte. »Du hattest übrigens vollkommen recht.«
    »Womit?«
    »Daß du Cato getötet hast.«
    Der junge Marius machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das weiß ich doch! Wir sehen uns an den Iden des Dezember auf Ischia.«
    »Gaius Marius! Gaius Marius!« rief eine mürrische Stimme.
    Marius drehte sich um.
    »Wenn du bereit bist, können wir jetzt zu meinem Schiff hinausfahren«, sagte Publius Murcius. Seine Stimme war immer noch mürrisch.
    Marius seufzte. Sein Instinkt sagte ihm deutlich, daß die Reise unter einem schlechten Vorzeichen stand. Der grobschlächtige Kerl sah nicht aus wie ein fähiger Seemann.
    Sein Schiff machte allerdings einen guten Eindruck. Es war stabil gebaut und schien seetüchtig. Wie es sich allerdings auf dem offenen Meer zwischen Sizilien und Afrika bewähren würde, wenn es zum äußersten kam und sie Sizilien verlassen mußten, konnte Gaius Marius auch nicht sagen. Der größte Nachteil des Schiffes war zweifellos Murcius, sein Kapitän, der sich unentwegt beklagte. Immerhin fuhren sie kurz vor Mitternacht los. Sie passierten die Untiefen und Sandbänke des Hafens, wandten sich dann nach links und wurden von einer steifen, nordöstlichen Brise die Küste hinunter getrieben. Knirschend und schlingernd kroch das Schiff vorwärts; Murcius hatte nicht genug Ballast zum Ausgleich für die fehlende Ladung an Bord. Der Abstand zur Küste betrug ungefähr zwei Meilen. Wenigstens die Mannschaft war guter Dinge. Die wenigen Ruder brauchten nicht bemannt zu werden, und die beiden großen Steuerruder schwangen träge im Kielwasser.
    Als der Morgen graute, sprang der Wind um und blies heftig aus Südwest.
    »Sieht ihm ähnlich«, sagte Murcius griesgrämig zu seinem Passagier. »Der bläst uns zurück nach Ostia.«
    »Mein Gold sagt, daß ihm das nicht gelingen wird, Publius Murcius. Und wenn wir es bis Ischia schaffen, gibt es noch mehr Gold.«
    Murcius antwortete nur mit einem mißtrauischen Blick, aber die Verlockung des Goldes war zu groß. Das große, viereckige Segel wurde gerefft, und die Matrosen, die nun plötzlich genauso zu jammern anfingen wie ihr Kapitän, nahmen die Ruder in die Hand.

    Sextus Lucilius, der Vetter des Pompeius Strabo, hoffte, für das folgende Jahr zum Volkstribunen gewählt zu werden. Er war konservativ, wie es die Tradition seiner Familie vorschrieb, und freute sich schon darauf, gegen die radikalen Burschen, die sicherlich auch gewählt werden würden, sein Veto einzulegen. Als Sulla in Rom einmarschierte und sein Quartier an den Sümpfen des Palus Ceroliae aufschlug, überlegte Lucius Lucilius wie viele andere, ob er seine Pläne ändern mußte. Nicht, daß er etwas gegen Sullas Einmarsch gehabt hätte. Seiner Meinung nach verdienten Marius und Sulpicius, in das Tullianum geworfen oder, noch besser, vom Tarpejischen Felsen gestürzt zu werden. Das wäre ein Anblick: Gaius Marius’ massiger Leib, der auf die spitzen Steine am Fuß des Felsens hinabstürzt! Entweder man liebte den alten Soldaten oder man haßte ihn, und Sextus Lucilius haßte ihn. Gefragt warum, hätte er geantwortet, daß es ohne Gaius Marius keinen Saturninus und keinen Sulpicius gegeben hätte.
    Also hatte er den vielbeschäftigten Konsul Sulla aufgesucht und ihm überschwenglich seine

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