MoR 02 - Eine Krone aus Gras
den anderen um und sagte: »Laßt euch nicht entmutigen! Mir wurde prophezeit, daß ich siebenmal Konsul von Rom sein würde. Ich werde also nach Rom zurückkehren. Und wenn ich das siebte Mal Konsul bin, werdet ihr großzügig belohnt werden.«
»Ich brauche keine Belohnung, Gaius Marius«, sagte Sulpicius steif. »Ich tue dies allein für Rom.«
»Das gilt für jeden von uns, Publius Sulpicius. Aber jetzt machen wir uns lieber auf den Weg. Bis Einbruch der Dunkelheit wird Sulla alle Tore mit Wachen besetzt haben. Am besten nehmen wir die Porta Capena. Aber seid vorsichtig.«
Sulpicius und die neun anderen verschwanden im Laufschritt den Clivus Palatinus hinauf. Aber als Marius über die Velia in Richtung Forum und zu seinem Haus gehen wollte, hielt Lucius Decumius ihn auf.
»Gaius Marius, du und ich, wir gehen sofort zur Porta Capena«, sagte der kleine Mann aus der Subura. »Dein Sohn kann nach Hause laufen und ein wenig Bargeld holen, er ist der jüngste und schnellste. Wenn er dann nicht mehr durch die Porta Capena kommt, kann er sich auf andere Art aus der Stadt stehlen. Notfalls muß er über die Mauern klettern. Er kann auch den Brief an deinen Vetter schreiben, und deine Frau kann noch etwas hinzufügen, um ihn zu überzeugen.«
»Aber Julia!« sagte Marius verzweifelt.
»Du wirst sie wiedersehen, wie du selbst gesagt hast. Denk an die Prophezeiung! Sieben Male Konsul. Du wirst zurückkehren. Julia wird sich viel weniger Sorgen machen, wenn sie weiß, daß du schon auf dem Weg bist. Marius, dein Vater und ich werden zwischen den Gräbern gleich hinter dem Tor warten. Wir werden versuchen, nach dir Ausschau zu halten, aber wenn wir dich nicht sehen, mußt du nach uns suchen.«
Der junge Marius machte sich auf den Weg nach Hause. Sein Vater und Lucius Decumius gingen den Clivus Palatinus hinauf. Kurz vor der Porta Mugonia bogen sie in die schmale Straße ein, die zu den alten Versammlungshäusern oberhalb der Via Triumph- alis führte. Von hier nahmen sie eine Treppe, die vom Palatin nach unten führte. Aus dem Lärm in der Ferne schlossen die Flüchtenden, daß Sulla und seine Truppen vom Esquilin zum Palus Ceroliae vordrangen, aber als Marius und Decumius durch die große Porta Capena eilten, waren keine Soldaten zu sehen. Sie gingen ein kurzes Stück die Straße entlang und versteckten sich dann hinter einem Grab. Von hier aus konnten sie das Tor gut beobachten. In den nächsten zwei Stunden herrschte reger Verkehr. Viele Menschen wollten nicht in einem Rom bleiben, das von einer römischen Armee besetzt war.
Dann sahen sie den jungen Marius. An einer Leine führte er den Esel, der sonst dazu diente, größere Einkäufe vom Marktplatz oder Brennholz vom Janiculum nach Hause zu bringen. Neben ihm ging eine Frau, die in einen dunklen Umhang gehüllt war.
»Julia!« rief Marius und stürzte aus seinem Versteck hervor, ohne sich darum zu kümmern, ob ihn jemand sah.
Der Schritt der Frau beschleunigte sich. Dann fielen sie einander in die Arme, und sie schmiegte sich an ihn. Ihre Augen waren geschlossen. »Ach Gaius Marius, ich dachte schon, ich würde dich verpassen!« sagte sie und hob ihr Gesicht, um sich immer wieder von ihm küssen zu lassen.
Wie viele Jahre waren sie jetzt verheiratet? Und immer noch küßten sie sich mit Leidenschaft, trotz des Kummers und der Angst, die in diesem Augenblick auf ihnen lasteten.
»Du wirst mir fehlen!« sagte sie und versuchte, nicht zu weinen.
»Ich bin nicht lang fort, Julia.«
»Ich kann nicht glauben, daß Lucius Cornelius das getan hat!«
»Ich hätte an seiner Stelle dasselbe getan.«
»Du würdest nie ein Heer nach Rom führen!«
»Da bin ich nicht so sicher. Wenn man ihm gegenüber gerecht sein will, muß man zugeben, daß er bis zum letzten provoziert wurde. Wenn er anders gehandelt hätte, wäre er erledigt gewesen. Und Männer wie Lucius Cornelius und ich können ein solches Schicksal nicht einfach hinnehmen. Sein Glück war, daß er das Heer und die Beamten auf seiner Seite hatte. Ich nicht. Aber wenn ich an seiner Stelle gewesen wäre — ich glaube, ich hätte getan, was er getan hat. Es war ein brillanter Schachzug. In der Geschichte Roms gibt es nur zwei Männer, die den Mut dazu haben — Lucius Cornelius und mich.« Er küßte sie wieder und ließ sie dann los. »Geh jetzt, Julia, und warte auf mich. Wenn Lucius Cornelius dir das Haus wegnimmt, fahr zu deiner Mutter nach Cumae. Marcus Granius hat noch viel mehr von meinem Geld als das,
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