MoR 02 - Eine Krone aus Gras
gefühlt hatte, seit er so überraschend auf den kurulischen Stuhl gesetzt worden war, mußte seiner Bedrückung Luft verschaffen und trat mit aller ihm verfügbaren Würde zwischen seinen Amtskollegen Octavius und den erbosten Metellus Pius. »Gnaeus Octavius, ich muß als consul suffectus zurücktreten«, sagte er ruhig. »Es geht nicht an, daß der Priester des Jupiter ein kurulisches Amt innehat. Im Senat kann er sitzen. Aber ein Imperium innehaben, nein.«
Sprachlos sah der Rest der Gruppe zu, wie Merula das untere Forum, wo der Wortwechsel stattfand, verließ und die Via Sacra zu seinem domus publicus hinaufging.
Catulus Caesar sah Metellus Pius an. »Quintus Caecilius, wärst du bereit, den militärischen Oberbefehl zu übernehmen?« fragte er. »Wenn wir deine Ernennung offiziell bekanntgeben, schöpfen unsere Männer und unsere Stadt vielleicht wieder Mut.«
Aber Metellus Pius schüttelte entschlossen den Kopf. »Nein, Quintus Lutatius, das werde ich nicht. Unsere Männer haben mit Hunger und Seuchen zu kämpfen und stehen nicht mit dem Herzen hinter unserer Sache. Und leider muß ich auch sagen, daß sie unsicher sind, wer im Recht ist. Und keiner von uns wünscht eine weitere Schlacht in den Straßen Roms — die von Lucius Sulla war schon eine zuviel. Wir müssen uns irgendwie einigen! Aber mit Lucius Cinna. Nicht mit Gaius Marius.«
Octavius sah sich die Gesichter der Männer an, hob die Schultern, ließ sie wieder fallen und seufzte ergeben. »Meinetwegen, Quintus Caecilius, einverstanden. Geh noch einmal hin und rede mit Lucius Cinna.«
Also machte sich Metellus noch einmal auf den Weg, diesmal nur von Catulus Caesar und dessen Sohn Catulus begleitet. Es war der fünfte Tag des Dezember.
Diesmal empfing Cinna sie mit dem Prunk des amtierenden Konsuls. Er hatte ein Podest errichten lassen und saß dort auf seinem kurulischen Stuhl, und die Delegation mußte während der Verhandlungen zu ihm aufblicken. Auf dem Podest war auch Gaius Marius, der allerdings keinen Stuhl hatte und hinter Cinna stand.
»Als erstes, Quintus Caecilius«, sagte Cinna laut, »heiße ich dich willkommen. Als zweites versichere ich dir, daß Gaius Marius nur als Beobachter hier ist. Er weiß, daß er ein privatus ist und bei offiziellen Verhandlungen kein Rederecht besitzt.«
»Ich danke dir, Lucius Cinna«, sagte Metellus ebenso steif und förmlich. »Ich bin nur befugt, mit dir zu verhandeln, nicht mit Gaius Marius. Was sind deine Bedingungen?«
»Ich werde als römischer Konsul in Rom einziehen.«
»Einverstanden. Der Jupiterpriester ist als dein Vertreter schon zurückgetreten.«
»Spätere Vergeltungsmaßnahmen sind ausgeschlossen.«
»Es wird keine geben.«
»Die neuen Bürger aus Italien und dem italischen Gallien werden auf alle fünfunddreißig Tribus verteilt.«
»Vollkommen einverstanden.«
»Die Sklaven, die ihren römischen Besitzern entflohen sind, um sich meinen Armeen anzuschließen, bekommen die Freiheit und das volle Bürgerrecht.«
Metellus erstarrte. »Unmöglich!« entfuhr es ihm. »Unmöglich!«
»Das ist eine Bedingung, Quintus Caecilius. Sie muß ebenso wie die anderen akzeptiert werden«, beharrte Cinna.
»Ich werde niemals einwilligen, Sklaven, die ihren rechtmäßigen Herren davongelaufen sind, die Freiheit und die Bürgerrechte zu geben.«
Catulus Caesar trat nach vorne. »Ein Wort unter uns, Quintus Caecilius«, sagte er leise.
Catulus Caesar und sein Sohn brauchten lange, bis sie Metellus Pius davon überzeugt hatten, daß auch diese Bedingung akzeptiert werden müsse. Metellus gab am Ende nur deshalb nach, weil er selbst sah, wie unnachgiebig Cinna war. Er fragte sich allerdings, in wessen Namen Cinna so unnachgiebig war — in seinem eigenen oder dem des Gaius Marius? In Cinnas Truppen gab es nur wenige Sklaven, aber Berichten zufolge waren Marius’ Truppen voll von ihnen.
»Na schön, einverstanden«, sagte Metellus ohne jede Förmlichkeit. »Allerdings habe auch ich eine Bedingung.«
»Die wäre?« fragte Cinna.
»Es darf kein Blutbad geben. Keine Ausbürgerungen, keine Proskriptionen, keine Verbannungen, keine Hochverratsprozesse, keine Hinrichtungen. Alle Männer Roms haben gehandelt, wie ihre Prinzipien und Überzeugungen es verlangten. Niemand darf dafür bestraft werden, sich an seine Prinzipien und Überzeugungen gehalten zu haben, wie abstoßend sie anderen auch erscheinen mögen. Das gilt für deine Anhänger, Lucius Cinna, ebenso wie für die Anhänger des Gnaeus
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