MoR 02 - Eine Krone aus Gras
kurulischen Stuhl würdevoll in Position. Seine Liktoren wurden bleich vor Angst.
Gaius Marcius Censorinus beachtete die Liktoren nicht. Mit gezogenem Schwert stieg er von seinem Pferd, rannte die Stufen des Podests hinauf, trat auf Octavius zu, der unbeweglich dasaß, und packte ihn mit der linken Hand am Haar. Ein kräftiger Ruck, und der Konsul, der keinerlei Gegenwehr leistete, flog von seinem Stuhl und fiel auf die Knie. Vor den Augen der entsetzten und hilflosen Liktoren hob Censorinus mit beiden Händen sein Schwert und ließ es mit aller Kraft auf Octavius’ bloßen Nacken niederfahren.
Zwei der Reiter nahmen den bluttriefenden Kopf mit dem seltsam friedlichen Gesicht und spießten ihn auf einen Speer. Dann nahm Censorinus den Speer in die Hand. Seine Reiter schickte er zum Campus Vaticanus; in einem Punkt war er nämlich auf keinen Fall gewillt, Befehle zu mißachten, und das war Cinnas Anordnung, Soldaten dürften das pomerium nicht überschreiten. Schwert, Helm und Harnisch warf er einem Sklaven zu, dann stieg er, nur mit seinem ledernen Untergewand bekleidet, auf sein Pferd und ritt geradewegs zum Forum Romanum. Den Speer trug er vor sich her wie eine Lanze. Vor Cinna angekommen, hob er den Speer und präsentierte dem fassungslosen Konsul den Kopf des Octavius.
Die erste Reaktion Cinnas war blankes Entsetzen. Er fuhr mit erhobenen, nach außen gekehrten Händen zurück, als wolle er das gräßliche Geschenk abwehren. Dann dachte er an Marius, der auf der anderen Seite des Flusses wartete, und an all die Augen, die jetzt auf ihm und Censorinus ruhten, seinem Offizier. Schluchzend holte er Atem, schloß vor Schmerz die Augen und stellte sich dann der grauenhaften Folge seines Marsches auf Rom.
»Binde den Speer an der Rostra fest«, sagte er zu Censorinus. Der schweigenden Menge rief er zu: »Dies ist die einzige Gewalttat, die ich dulden werde! Ich habe geschworen, daß Gnaeus Octavius Ruso nicht mehr leben soll, wenn ich meinen Platz als Konsul wieder einnehme. Er war es — zusammen mit Lucius Sulla! —, der diesen Brauch einführte! Denn diese beiden haben den Kopf meines Freundes Publius Sulpicius dort aufgespießt, wo jetzt dieser Kopf steckt. Volk von Rom! Schaut ihn euch an, den Gnaeus Octavius! Schaut euch den Kopf des Mannes gut an, der Leid und Hunger über euch brachte, als er auf dem Marsfeld inmitten einer rechtmäßig einberufenen Versammlung über sechstausend Menschen abschlachten ließ. Rom ist gerächt! Weiteres Blutvergießen wird es nicht geben! Und das Blut des Gnaeus Octavius wurde nicht innerhalb der heiligen Stadtgrenze vergossen.«
Das entsprach zwar nicht ganz der Wahrheit, aber es war zweckdienlich.
Innerhalb von sieben Tagen waren die Gesetze des Lucius Cornelius Sulla annulliert. Die Zenturiatkomitien, die nur noch ein Schatten ihrer selbst waren, folgten Sulla insofern, als sie die entsprechenden Gegengesetze schneller verabschiedeten, als die lex Caecilia Didia prima zuließ. Dann wurde die frühere Macht der Versammlung der Plebs wiederhergestellt. Die Volksversammlung trat zusammen, um neue Volkstribunen zu wählen, die schon überfällig waren. Es folgte eine Flut neuer Gesetze: Die Bürger Italiens und des italischen Gallien — nicht aber die Freigelassenen Roms — wurden ohne Vorbehalte auf die fünfunddreißig Tribus verteilt, Gaius Marius und seine Anhänger wurden wieder in ihre rechtmäßigen Stellungen und Ränge eingesetzt, und Gaius Marius wurde offiziell mit einem prokonsularischen Imperium ausgestattet. Die beiden neuen Tribus von Piso Frugi wurden abgeschafft, alle Männer, die von der Kommission des Varius verbannt worden waren, wurden zurückgerufen, und Gaius Marius wurde offiziell zum Oberbefehlshaber im Krieg gegen König Mithridates von Pontos und dessen Verbündeten ernannt.
Auch die plebejischen Adilen wurden von der Versammlung der Plebs gewählt. Anschließend wurde die ganze Volksversammlung zur Wahl der kurulischen Adilen, der Quästoren und der Soldatentribunen einberufen. Obwohl Gaius Flavius Fimbria, Publius Annius und Gaius Marcius Censorinus erst in drei bis vier Jahren dreißig sein würden, wurden sie zu Quästoren gewählt und sofort in den Senat aufgenommen. Keiner der Zensoren hielt es für klug, dagegen zu protestieren.
Dann berief Cinna feierlich die Zenturiatkomitien zur Wahl der Konsuln ein. Die Versammlung fand außerhalb der heiligen Stadtgrenze auf dem Aventin statt, da Sertorius immer noch mit zwei Legionen das Marsfeld
Weitere Kostenlose Bücher