MoR 02 - Eine Krone aus Gras
und er wußte, daß die Trauerfeierlichkeiten unter den gegebenen Umständen so einfach wie möglich gehalten werden mußten. Der Unmut unter der Bevölkerung war auch so schon groß genug, und den Bewohnern des Quirinal, des Viminal und des oberen Esquilin war der tote Heerführer zutiefst verhaßt, da sie seinem Lager die Schuld an den Seuchen gaben, die in ihren Stadtvierteln wüteten.
Es dauerte einige Stunden, bis die beiden jungen Männer nach Erfüllung ihrer traurigen Pflicht wieder zum Lager zurückkehrten. Als sie das Haus an der Porta Collina betraten, in dem Pompeius Strabo sein Quartier aufgeschlagen hatte, war es schon Nachmittag. Niemand, am wenigsten der trauernde Pompeius, hatte daran gedacht, auf dem weiträumigen Gelände Wachen aufzustellen. Der Feldherr war tot, und im Haus gab es keine Wertgegenstände. Von den Sklaven lagen viele krank darnieder, aber als die beiden gegangen waren, hatten einige von ihnen Pompeius Strabo auf seinem Bett aufgebahrt, und zwei Sklavinnen hatten Totenwache gehalten.
Nun fanden Pompeius und Cicero das Haus vollkommen verlassen vor — totenstill und anscheinend unbewohnt. Und als sie das Zimmer betraten, in dem Pompeius Strabo gelegen hatte, war er verschwunden.
Pompeius stieß einen triumphierenden Schrei aus. »Er lebt!« Auf seinem Gesicht leuchtete ungläubige Freude auf.
»Gnaeus Pompeius, dein Vater ist tot«, sagte Cicero, der dem toten Feldherrn nicht nachtrauerte und deshalb einen kühlen Kopf behielt. »Beruhige dich doch! Du weißt, daß er tot war, als wir gingen. Wir haben ihn gewaschen und angekleidet. Er war tot!«
Die Freude in Pompeius’ Gesicht erlosch, aber die Tränen kamen nicht wieder. Statt dessen wurde das frische, junge Gesicht hart wie Stein. »Was ist dann los? Wo ist mein Vater?«
»Ich glaube, die Sklaven sind weg, auch die, die krank waren«, sagte Cicero. »Als erstes durchsuchen wir am besten das Haus.«
Die Durchsuchung ergab nichts — keinen Hinweis darauf, was mit dem Leichnam des Gnaeus Pompeius Strabo passiert sein mochte. Pompeius und Cicero, der eine immer versteinerter, der andere immer verstörter, verließen das ausgestorbene Haus, stellten sich auf die Via Nomentana und schauten in beide Richtungen.
»Gehen wir ins Lager oder zum Tor?« fragte Cicero.
In beide Richtungen waren es nur ein paar Schritte. Pompeius runzelte die Stirn und entschied dann: »Gehen wir ins Feldherrnzelt. Vielleicht haben die Soldaten ihn geholt und dort feierlich aufgebahrt.«
Als sie ein paar Schritte ins Lager hineingegangen waren, rief hinter ihnen eine Stimme: »Gnaeus Pompeius! Gnaeus Pompeius!«
Sie drehten sich um und sahen, wie Brutus Damasippus in offenbar aufgelöstem Zustand aus dem Stadttor gelaufen kam und ihnen heftig zuwinkte.
»Dein Vater!« keuchte er, als er sie erreicht hatte.
»Was ist mit meinem Vater?« fragte Pompeius ruhig und kalt.
»Das Volk von Rom hat seine Leiche gestohlen. Sie sagten, sie wollten ihn an einen Esel binden und durch die Straßen der Stadt schleifen! Eine der Frauen, die Totenwache hielt, kam zu mir und erzählte es mir, und ich bin wie ein Idiot einfach losgerannt. Wahrscheinlich habe ich mir eingebildet, ich könnte sie einholen. Zum Glück sah ich dann euch — sonst würden sie mich jetzt wahrscheinlich auch durch die Stadt schleifen.« Er sah Pompeius mit demselben Respekt an, den er für seinen Vater aufgebracht hatte. »Was soll ich tun?«
»Bring mir sofort zwei Kohorten Soldaten«, sagte Pompeius knapp. »Wir gehen in die Stadt und suchen ihn.«
Cicero fragte nichts, und Pompeius sagte nichts, während sie warteten. Pompeius Strabo war die schlimmste aller Beleidigungen angetan worden, das war beiden klar. Die Menschen aus dem Nordosten der Stadt hatten auf diese Weise ihren Abscheu vor dem Mann ausgedrückt, den sie für den Urheber ihres Leids hielten. Während die dichter besiedelten Stadtteile Roms durch Aquädukte mit Wasser versorgt wurden, waren die oberen Teile des Esquilin, des Viminal und des Quirinal, wo weniger Menschen lebten, auf das Quellwasser angewiesen.
Als Pompeius seine Kohorten durch die Porta Collina auf den weiträumigen Marktplatz führte, war das gesamte Gebiet menschenleer. Auch auf den anschließenden Straßen war kein Mensch zu sehen, nicht einmal in den engen Gassen, die zum unteren Esquilin hinunterführten. Eine nach der anderen durchkämmten sie die Straßen. Damasippus wandte sich mit einer Kohorte nach links zum Doppelwall, die beiden jungen
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