MoR 02 - Eine Krone aus Gras
denn da hereinspaziert? Der Pfau und der Pickel!« rief er fröhlich von seinem Stammplatz am hintersten Tisch. »Wollt ihr einen Becher Wasser mit einem Schuß Wein?«
Aber weder dem jungen Caesar noch Matius war nach Wein zumute. Sie schüttelten nur die Köpfe und glitten auf die Bank an der anderen Seite des Tisches, an dem Decumius saß. Decumius füllte zwei Becher mit Wasser.
»Ihr seht ja sehr traurig aus. Ich habe mich schon gefragt, was bei Gaius Marius los war. Also: Was ist los?« Fragend sah Decumius den jungen Caesar an. Seine listigen Augen blickten liebevoll.
»Gaius Marius hat mich zum Jupiterpriester ernannt.«
Endlich bekam der junge Caesar die Reaktion zu sehen, die er sehen wollte. Lucius Decumius war zuerst wie vom Blitz getroffen, dann wurde er wütend.
»Dieser rachsüchtige, alte Scheißhaufen!«
»Ja, das ist er, nicht wahr?«
»Als du ihn monatelang gepflegt hast, hat er dich zu gut kennengelernt, Pavo. Das muß man ihm lassen — er ist kein Narr, auch wenn er einen gewaltigen Knacks in der Birne hat!«
»Was soll ich tun, Lucius Decumius?«
Eine Zeitlang gab der Vorsteher des Kreuzwegevereins keine Antwort und biß sich nur nachdenklich auf die Lippen. Dann richtete er seinen hellen Blick auf den jungen Caesar und lächelte. »Im Moment weiß ich das auch nicht, Pavo. Aber du wirst es bald wissen!« sagte er fröhlich. »Warum läßt du den Kopf so hängen? Du bist doch sonst nie um einen Ausweg verlegen! Du weißt bereits jetzt, was für eine Zukunft dich erwartet, und du fürchtest dich nicht davor! Warum dann auf einmal jetzt? Du bist erschrok- ken, Junge, das ist alles. Ich kenne dich besser, als Gaius Marius dich kennt. Und ich glaube, du findest einen Ausweg. Schließlich sind wir hier in Rom und nicht in Alexandria. In Rom gibt es immer ein legales Schlupfloch.«
Gaius Matius Pustula hörte zu, beteiligte sich aber nicht an dem Gespräch. Sein Vater war ständig damit beschäftigt, Verträge und Schuldverschreibungen auszufertigen, deshalb wußte er, daß Decumius recht hatte. Und doch... Für Verträge und Gesetze mochte dies zutreffen, aber die Priesterschaft des Jupiter war über alle legalen Schlupflöcher erhaben, weil sie sogar älter war als die zwölf Tafeln, die älteste Gesamtkodifikation des römischen Rechts. Und Pavo Caesar war intelligent und belesen genug, um dies zu wissen.
Lucius Decumius wußte dies natürlich auch, aber er hatte mehr Einfühlungsvermögen als Caesars Eltern. Er hatte begriffen, daß es wichtig war, dem jungen Caesar Hoffnung zu geben. Sonst stürzte er sich noch in das Schwert, das er in Zukunft nicht mehr berühren durfte. Gaius Marius wußte sicher genau, daß der junge Caesar zum Priester völlig ungeeignet war. Der Junge war zwar ungewöhnlich abergläubisch, aber religiöse Dinge langweilten ihn. Er würde zugrunde gehen, wenn man ihn in lauter Regeln und Ordnungen hineinzwängte. Und wenn es keinen anderen Ausweg gab, würde er sich umbringen.
»Ich soll morgen früh heiraten, noch bevor ich in das Amt eingeführt werde«, sagte der junge Caesar und verzog das Gesicht.
»Wen denn? Cossutia?«
»Nein, nicht Cossutia. Sie ist nicht gut genug, um Frau des Jupiterpriesters zu werden, Lucius Decumius. Ich sollte sie nur heiraten, weil sie so reich ist. Jetzt muß ich eine Patrizierin heiraten, deshalb geben sie mir die Tochter des Lucius Cinna. Sie ist sieben.«
»Nun, das macht ja dann auch nichts mehr. Besser eine Siebenjährige als eine Achtzehnjährige, kleiner Pfau.«
»Schon möglich.« Der Junge preßte die Lippen zusammen und nickte. »Du hast recht, Lucius Decumius. Ich finde einen Ausweg!«
Die Ereignisse des nächsten Tages schienen diese Ankündigung jedoch zu widerlegen. Der junge Caesar begann zu begreifen, wie geschickt Gaius Marius ihn in die Falle gelockt hatte.
Alle fürchteten sich vor dem Gang von der Subura zum Palatin, und der alte Caesar überlegte, wie man das Stadtzentrum umgehen konnte, nicht so sehr wegen seines Sohnes, denn dieser hatte das Schlimmste ja bereits zu sehen bekommen, sondern wegen seiner Frau und seinen beiden Töchtern. Doch Lucius Decumius konnte dem besorgten Vater berichten, daß man offenbar während der Nacht die Straßen gründlich gereinigt hatte.
»Dein Junge ist nicht der einzige, der heute morgen heiratet«, sagte Lucius Decumius. »Die Ardiaier haben mir erzählt, Gaius Marius habe seinen Sohn gestern nach Rom zurückgeholt; er soll heute auch heiraten. Gaius Marius ist es
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