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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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habe seit Africa gewußt, daß er verrückt ist, aber ich wußte nicht, wie schlimm seine Krankheit ist. Ach Mutter, wie können wir dieses Elend wiedergutmachen?«
    »Überhaupt nicht.« Sie hob eine Hand an den Kopf und runzelte die Stirn. »Laß uns nicht darüber sprechen, mein Junge!« Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Wie sieht er aus?«
    »Es stimmt also?«
    »Was meinst du?«
    »Daß du ihn noch gar nicht gesehen hast?«
    »Ja, kleiner Gaius. Und ich werde ihn nie mehr sehen.«
    Der junge Marius wußte nicht, ob das ihr eigener Entschluß, eine Vorahnung oder ein Entschluß seines Vaters war.
    »Er sieht krank aus, Mama. Er ist nicht er selbst. Er sagt, daß er nicht zu meiner Hochzeit kommen wird. Kommst du?«
    »Ja, kleiner Gaius, ich werde kommen.«
    Nach der Hochzeit — was für ein interessantes Mädchen Mucia Tertia doch war! — begleitete Julia die Hochzeitsgäste zur Amtseinführung des jungen Caesar im Tempel des Jupiter Optimus Maximus. Sie kam mit, weil Gaius Marius nicht teilnehmen würde. Die Gäste fanden die Stadt in gereinigtem und geputztem Zustand vor, der junge Marius kannte deshalb noch immer nicht das ganze Ausmaß der Grausamkeiten, die sein Vater begangen hatte. Und da er der Sohn des großen Mannes war, konnte er niemanden fragen.
    Die Zeremonie im Tempel dauerte lange und war unglaublich langweilig. Der junge Caesar trug nur seine Tunika ohne Gürtel und bekam nun die Gewänder seines neuen Amtes angelegt — einen runden, entsetzlich unbequemen und steifen Umhang, der aus zwei schweren, rot und purpurfarben gestreiften Wollschichten bestand. Dann setzte man ihm einen engen, spitzen Elfenbeinhelm auf, an dessen Spitze eine Wollscheibe eingesetzt war; an den Füßen trug er besondere Schuhe ohne Knoten oder Schnallen. Wie sollte er es ertragen können, dieses Zeug ab jetzt täglich anzuhaben? Besonders um die Hüften fühlte er sich eigenartig, denn bisher hatte er den hübschen Gürtel getragen, den Lucius Decumius ihm zusammen mit einem wunderschönen, kleinen Dolch in einer Scheide geschenkt hatte. Der Elfenbeinhelm, der für einen Mann mit einem viel kleineren Kopf angefertigt worden war, saß lächerlich hoch über seinen Ohren auf dem elfenbeinfarbenen Haar. Das würde man bald in Ordnung bringen, versicherte ihm der Pontifex Maximus Scaevola, Gaius Marius habe einen neuen apex gestiftet. Der Mann, der die Priestermütze herstellte, würde morgen zur Wohnung seiner Mutter kommen und seinen Kopf abmessen.
    Als der junge Caesar seine Tante Julia erblickte, sank ihm das Herz. Während die verschiedenen Priester ihre endlosen Litaneien herbeteten, starrte er sie unentwegt an; durch Willenskraft wollte er sie zwingen, ihn anzublicken. Sie fühlte seinen Blick auf sich ruhen, sah ihn aber nicht an. Plötzlich wirkte sie sehr viel älter als vierzig Jahre, und über ihre Schönheit hatte sich ein Schleier der Trauer und des Kummers gelegt. Aber als sich am Ende der Zeremonie alle um den neuen Jupiterpriester und seine puppenhafte Frau drängten, konnte der junge Caesar endlich in Julias Augen sehen — und er wünschte sofort, diesen Blick vermieden zu haben. Sie küßte ihn auf die Lippen, wie sie es immer getan hatte, legte ihren Kopf an seine Schulter und weinte still.
    »Es tut mir so leid, mein Junge«, flüsterte sie. »Er hätte dir nichts Schlimmeres antun können. Er gibt sich größte Mühe, alle zu verletzen, selbst jene, die er nicht verletzen sollte. Aber er ist nicht mehr er selbst, das mußt du verstehen, bitte!«
    »Ich verstehe es, Tante Julia«, antwortete der Junge so leise, daß niemand anders es hören konnte. »Mach dir um mich keine Sorgen. Ich werde mit allem fertig.«
    Als die Sonne unterging, durften die Gäste endlich gehen. Der neue Priester, der seine zu kleine Priestermütze in der Hand trug, aber noch immer unter seiner laena, dem Wollmantel, fast erstickte und dessen Schuhe sich immer wieder von den Füßen lösten, weil sie ohne Knoten und Schnallen nicht richtig hielten, ging mit seinen Eltern, seinen ungewöhnlich ernsten Schwestern, seiner Tante Julia sowie dem jungen Marius und dessen Braut nach Hause.
    Cinnilla, seine Frau, war ebenfalls in Wolle und Schuhe ohne Knoten oder Schnallen gekleidet. Sie ging mit ihren Eltern, ihrem Bruder, ihrer Schwester Cornelia Cinna und Gnaeus Ahenobarbus nach Hause.
    »Cinnilla wird also bei ihrer eigenen Familie wohnen, bis sie achtzehn Jahre alt ist«, sagte Aurelia munter zu Julia. Sie versuchte,

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