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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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eine Unterhaltung in Gang zu bringen, während sich alle in ihrem Eßzimmer zu einem späten, festlichen Mahl niederließen. »Elf Jahre muß sie noch warten! Das ist in diesem Alter eine Ewigkeit. In meinem Alter dagegen vergehen elf Jahre viel zu schnell.«
    »Das geht mir auch so«, erwiderte Julia tonlos. Sie setzte sich zwischen Mucia Tertia und Aurelia.
    »So viele Hochzeiten!« sagte Caesar mit krampfhafter Fröhlichkeit. Es war ihm nur zu deutlich bewußt, wie erschöpft seine Schwester aussah. Er lag auf der mittleren Liege, am normalen Platz des Hausherrn, den Ehrenplatz neben ihm nahm der neue Jupiterpriester ein, der heute zum ersten Mal in seinem Leben liegen durfte. Der Vater empfand dies als ebenso beunruhigend wie die anderen beunruhigenden Ereignisse dieses unruhigen Tages.
    »Warum hat Gaius Marius nicht teilgenommen?« fragte Aurelia taktlos. Julia errötete und zuckte die Schultern. »Er hat zuviel zu tun.«
    Aurelia hätte sich am liebsten die Zunge abgebissen. Sie sagte nichts mehr, sondern sah nur leicht verzweifelt und hilfesuchend ihren Ehemann an. Aber von ihm kam keine Hilfe, statt dessen machte der junge Caesar alles noch schlimmer.
    »Unsinn! Gaius Marius kam nicht, weil er es nicht gewagt hat zu kommen«, sagte er. Er setzte sich plötzlich auf und zog seinen Mantel aus. Ohne jede Ehrfurcht warf er ihn auf den Boden neben die Priesterschuhe. »So ist es besser. Das verdammte Ding! Ich hasse es, ich hasse es!«
    Aurelia ergriff die Gelegenheit, das Thema zu wechseln. Stirnrunzelnd sah sie ihren Sohn an. »Sei nicht so gottlos«, sagte sie.
    »Darf ich denn nicht die Wahrheit sagen?« fragte der junge Caesar, ließ sich wieder auf den linken Ellbogen sinken und sah seine Mutter herausfordernd an.
    In diesem Augenblick wurde der erste Gang hereingetragen — frisches Weißbrot, Oliven, Eier, Sellerie und verschiedene Salate.
    Der junge Caesar war hungrig, denn er hatte vor den Zeremonien nichts zu sich nehmen dürfen. Er streckte die Hand nach dem Brot aus.
    »Halt!« sagte Aurelia scharf. Sie wurde blaß, und Furcht trat in ihre Augen.
    Der Junge hielt inne und starrte sie an. »Warum denn nicht?«
    »Du darfst kein Weißbrot und kein Brot aus Sauerteig essen«, sagte seine Mutter. »Hier kommt dein Brot.«
    Eine weitere Platte wurde hereingetragen und vor den Jungen gestellt. Auf ihr lagen ein paar dünne, flache, ausgesprochen unappetitlich wirkende Brotscheiben von gräulicher Farbe.
    »Was ist denn das?« Angeekelt starrte der junge Caesar das Brot an. »Mola salsa?«
    »Mola salsa wird aus Dinkel gemacht, einer Weizensorte«, erklärte Aurelia, obwohl sie wußte, daß ihm dies längst bekannt war. »Das hier ist Gerste.«
    »Gerstenbrot«, sagte der junge Caesar tonlos, »selbst die Bauern in Ägypten leben besser! Ich werde normales Brot essen. Von diesem Zeug hier wird mir schlecht.«
    »Mein Sohn, heute ist der Tag deiner Amtseinführung«, sagte sein Vater. »Die Omen waren gut. Du bist jetzt der neue Jupiterpriester. Besonders heute müssen alle Regeln auf das genaueste befolgt werden. Du bist das Verbindungsglied zwischen Rom und dem großen Gott. Was du tust, wirkt sich auf die Beziehungen Roms zum großen Jupiter aus. Ich weiß, du bist hungrig, und ich weiß auch, daß das Brot ziemlich scheußlich schmeckt. Aber von heute an darfst du nicht mehr zuerst an dich selbst denken, du mußt zuerst an Rom denken. Iß dein eigenes Brot.«
    Der Junge ließ seinen Blick von einem Gesicht zum anderen schweifen. Er atmete tief ein und sagte dann, was gesagt werden mußte. Kein Erwachsener konnte es sagen, die Erwachsenen waren dafür und für alles andere zu alt, und sie hatten zuviel Angst.
    »Dies ist nicht die Stunde der Freude. Wie könnte sich jemand freuen? Wie könnte ich mich freuen?« Er streckte die Hand aus, ergriff ein Stück des knusprigen Weißbrots, brach es, tauchte es in Olivenöl und schob es in den Mund. »Niemand hat mich ernsthaft gefragt, ob ich dieses unmännliche Amt haben will«, sagte er und kaute genußvoll. »Natürlich, Gaius Marius fragte mich dreimal, ich weiß! Aber welche Wahl hatte ich denn, frage ich euch? Die Antwort lautet: keine. Gaius Marius ist verrückt. Wir alle wissen es, aber wir sprechen es nicht einmal aus, wenn wir beim Essen unter uns sind. Er hat mir das ganz bewußt angetan; seine Gründe waren nicht fromm und hatten auch nichts mit dem religiösen oder sonstigen Wohlergehen Roms zu tun.« Er schluckte das Brot hinunter. »Ich bin noch

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