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MoR 04 - Caesars Frauen

Titel: MoR 04 - Caesars Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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für ihn kein anderes Ziel, denn Onkel Cato war davongeeilt, ohne seinen Neffen noch eines Blickes zu würdigen, und der Gedanke, zu seiner Mutter und dem armen Silanus zu gehen, erschien ihm alles andere als verlockend. Servilia würde in allen Einzelheiten von ihm wissen wollen, wo er gewesen war, mit wem er zusammen war und was Onkel Cato vorhatte; und sein Stiefvater würde dabeisitzen wie eine zerdrückte Stoffpuppe.
    Seine Liebe zu Julia war im Lauf der Jahre nur noch größer geworden. Er hörte nicht auf, ihre Schönheit zu bewundern, ihre zärtliche Aufmerksamkeit für seine Gefühle, ihre Freundlichkeit und ihr Temperament. Vor allem aber ihr Einfühlungsvermögen. Oh, wie dankbar er für ihr Einfühlungsvermögen war!
    Und deshalb erzählte er ihr von dem Treffen bei Metellus Scipio, und sie, sein kleiner, süßer Liebling, hörte ihm mit Tränen in den Augen zu.
    »Sogar Metellus Scipio hat wenig unter elterlicher Überwachung gelitten«, sagte sie, als er mit seiner Geschichte fertig war, »und die anderen sind zu alt, um sich daran zu erinnern, wie das ist, mit dem pater familias unter einem Dach zu leben.«
    »Ach, Silanus ist ganz in Ordnung«, sagte Brutus schroff, weil er gegen die Tränen ankämpfen mußte, »aber ich habe so schreckliche Angst vor meiner Mutter! Onkel Cato hat vor niemandem Angst, das ist das Problem.«
    Sie ahnten beide nichts von der Beziehung zwischen ihrem Vater und seiner Mutter — ebensowenig wie Onkel Cato. Deshalb sah Julia keinen Grund, Brutus gegenüber einen Hehl aus ihrer Abneigung gegen Servilia zu machen, und sagte: »Ich kann dich verstehen, Brutus, mein Lieber. Sie kennt kein Mitgefühl, wahrscheinlich weiß sie nicht einmal, wie mächtig und herrisch sie ist.
    Ich glaube, sie wäre sogar stark genug, um die Schere der Atropos stumpf zu machen.«
    »Das glaube ich auch«, seufzte Brutus.
    Julia tat alles, um ihn ein wenig aufzuheitern und wieder mit sich selber zu versöhnen. Sie lächelte, streichelte ihm die schulterlangen, schwarzen Locken und sagte: »Ich glaube, du behandelst sie genau richtig, Brutus. Du gehst ihr aus dem Weg und tust nichts, um sie zu verärgern. Wenn dein Onkel Cato mit ihr zusammenleben müßte, würde er dich besser verstehen.«
    »Onkel Cato hat mit ihr zusammengelebt«, erwiderte Brutus traurig.
    »Ja, aber da war sie noch ein kleines Mädchen«, sagte Julia und streichelte ihn.
    Ihre Berührung weckte in ihm den impulsiven Wunsch, sie zu küssen, aber er gab ihm nicht nach; er gab sich damit zufrieden, ihr den Handrücken zu liebkosen, und sie nahm die Hand von seinem Haar. Sie war gerade erst dreizehn geworden, und auch wenn ihre Weiblichkeit inzwischen durch zwei bezaubernde, spitze Hügel unter dem Oberteil ihres Kleides sichtbar wurde, wußte Brutus, daß sie noch nicht bereit für seine Küsse war. Außerdem hatte er durch seine Lektüre konservativer lateinischer Autoren — wie Cato dem Zensor — ein Ehrgefühl erworben, das es ihm nicht erlaubte, in ihr eine körperliche Reaktion hervorzurufen, die ihnen beiden das Leben nur erschweren konnte. Aurelia vertraute ihnen und überraschte sie niemals, wenn sie zusammen waren. Er durfte dieses Vertrauen nicht mißbrauchen.
    Natürlich wäre es besser gewesen, wenn er es doch getan hätte, denn Julias zunehmende körperliche Abneigung gegen ihn wäre dann früh genug zutage getreten, um die Auflösung ihrer Verlobung für sie beide erträglicher zu machen. Aber er küßte sie nicht und rührte sie nicht an, und so gab es für Julia keinen vernünftigen Grund, zu ihrem Vater zu gehen und ihn zu bitten, sie von einem Versprechen zu entbinden, von dem sie wußte, daß es sie in eine schreckliche Ehe führte, auch wenn sie sich dazu zwingen würde, ihm eine gehorsame Ehefrau zu sein.
    Das Problem war, daß Brutus soviel Geld hatte! Es war schon zur Zeit der Verlobung genug gewesen, aber jetzt, wo er auch noch das Vermögen der Familie seiner Mutter geerbt hatte, war es noch hundertmal mehr. Wie alle Römer kannte auch Julia die Geschichte des Goldes von Tolosa und wußte, was es den Servilii Caepiones gebracht hatte. Brutus’ Geld würde eine große Hilfe für ihren Vater sein, daran konnte kein Zweifel bestehen. Ihre Großmutter sagte, als einziges Kind ihres Vaters sei es ihre Pflicht, ihm dabei zu helfen, mehr Ansehen auf dem Forum zu gewinnen, seine dignitas zu erhöhen. Und für ein Mädchen gab es nur einen Weg, das zu tun: Sie mußte so viel Geld und Einfluß heiraten, wie es

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