MoR 04 - Caesars Frauen
schwieg Aurelia.
»Heute morgen war Crassus bei mir«, sagte Caesar schließlich.
Sie sagte immer noch nichts.
»Meine Gläubiger werden unruhig.«
Kein Wort von Aurelia.
»Es gehen noch immer Rechnungen aus meiner Zeit als kurulischer Ädil ein. Deshalb konnte ich noch keinen einzigen von den Krediten zurückzahlen.«
Sie senkte den Blick und starrte ihre Schreibtischplatte an.
»Das heißt, daß Zinseszins fällig ist. Einige von den Kerlen werden mich bei den Zensoren anzeigen wollen. Und selbst wenn mein Onkel einer von ihnen ist — ihm bleibt auch nichts anderes übrig, als nach den Buchstaben des Gesetzes zu entscheiden. Ich würde meinen Sitz im Senat verlieren und müßte meinen ganzen Besitz verkaufen.«
»Hat Crassus einen Vorschlag?« wagte sie zu fragen.
»Ich soll mich zum Pontifex Maximus wählen lassen.«
»Er würde dir kein Geld leihen?«
»Das wäre der allerletzte Ausweg«, sagte Caesar. »Crassus ist ein großartiger Freund, aber er ist nicht umsonst so reich. Er verleiht, ohne Zinsen zu verlangen, erwartet aber Rückzahlung, sobald er einen Kredit kündigt. Pompeius Magnus wird zurück sein, bevor ich Konsul bin. Und ich brauche Magnus auf meiner Seite. Aber seit ihrem gemeinsamen Konsulat hat Crassus eine große Abneigung gegen Magnus. Ich muß zwischen den beiden vermitteln. Und deshalb darf ich keinem von beiden Geld schuldig sein.«
»Das verstehe ich. Wird der Pontifex Maximus ausreichen?«
»Ganz sicher, bei so illustren Gegenkandidaten wie Catulus und Vatia Isauricus. Wenn ich gewinne, wissen meine Gläubiger, daß ich Prätor und später Erster Konsul werde und daß ich spätestens dann meine Verluste wieder ausgleichen kann, wenn ich erst meine konsularische Provinz übernehme, vielleicht sogar schon früher. Es würde sich für sie auszahlen, wenn nicht gleich, dann später. Zinseszinsen sind eine furchtbare Geißel und sollten verboten werden, aber einen Vorteil haben sie: Geldgeber, die Zinseszinsen erheben, können mit riesigen Profiten rechnen, wenn die Schuld zurückgezahlt wird, und wenn auch nur teilweise.«
»Dann solltest du dich zum Pontifex Maximus wählen lassen.«
»Das meine ich auch.«
Die Wahl eines neuen Pontifex Maximus und eines neuen Gesichts für das Kollegium der Pontifices sollte in vierundzwanzig Tagen stattfinden. Wem das neue Gesicht gehören würde, war kein Geheimnis: Der einzige Kandidat war Metellus Scipio. Sowohl Catulus als auch Vatia Isauricus stellten sich für die Wahl zum Pontifex Maximus zur Verfügung.
Caesar stürzte sich mit Begeisterung und Energie in den Wahlkampf. Sein Name und seine Herkunft waren ihm von großem Nutzen, auch wenn keiner der beiden Gegenkandidaten ein neuer Mann oder einer der weniger prominenten boni war. Normalerweise ging der Posten an einen Mann, der schon einmal Konsul gewesen war, aber dieser Vorteil, den sowohl Catulus als auch Vatia Isauricus hatte, wurde durch ihr Alter zumindest teilweise wieder zunichte gemacht: Catulus war einundsechzig, Vatia Isauricus gar achtundsechzig Jahre alt. In Rom ging man davon aus, daß ein Mann den Gipfel seiner Leistungsfähigkeit und Kraft im dreiundvierzigsten Lebensjahr erreicht hatte, jenem Jahr, in dem er Konsul werden sollte. Danach degenerierte er unweigerlich zu einer vergessenen Größe, ganz egal, wie beeindruckend seine auctoritas oder dignitas auch sein mochten. Er konnte noch Zensor oder Princeps Senatus und nach Ablauf von zehn Jahren sogar ein zweites Mal Konsul werden, aber wenn er dann sechzig war, hatte er seinen Höhepunkt endgültig überschritten. Obwohl Caesar noch nicht Prätor gewesen war, gehörte er dem Senat schon seit vielen Jahren an; seit über einem Jahrzehnt war er Pontifex, er hatte ein glanzvolles Jahr als kurulischer Ädil absolviert, bei allen öffentlichen Anlässen trug er die Bürgerkrone, und bei den Wählern war er nicht nur als einer von Roms höchsten Aristokraten, sondern auch als ein Mann von außergewöhnlichen Fähigkeiten und Talenten bekannt. Seine Arbeit am Mordgericht und als Advokat war ebenso im Gedächtnis geblieben wie die gewissenhafte Fürsorge für seine Klienten. Kurzum: Caesar verkörperte die Zukunft. Catulus und Vatia Isauricus standen zweifellos für die Vergangenheit — und beiden hing außerdem der üble Geruch an, Günstlinge Sullas gewesen zu sein. Die Mehrzahl der Wähler gehörte dem Ritterstand an, und der war von Sulla gnadenlos verfolgt worden. Um der unbestreitbaren Tatsache entgegenzuwirken,
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