MoR 04 - Caesars Frauen
Lucceia, sogar eine Afrania, eine Lollia und eine Petreia angeboten worden; Pompeius der Große hatte verzweifelt versucht, sich und seine picentischen Anhänger in den angesehensten Institutionen Roms zu etablieren. Aber mochte das Ferkel auch noch so alt und krank gewesen sein — aus diesem Stall hatte es niemanden haben wollen! Da sollte der Staat doch lieber die Abkömmlinge angesehener Familien mit eigenen Mitteln finanzieren oder wenigstens Mädchen wie Fonteia, deren Vater die Krone aus Gras verliehen worden war.
Die erwachsenen Vestalinnen kannten Caesar ungefähr so gut, wie er sie kannte, eine Bekanntschaft, die sich durch seine Teilnahme an offiziellen Banketten und Veranstaltungen innerhalb der Priesterkollegien ergeben hatte und daher eher oberflächlich war. Es gab in Rom durchaus Festlichkeiten, die zu Trinkgelagen und allzu intimen Vertraulichkeiten zwischen den Teilnehmern ausarten konnten — aber die religiösen gehörten nicht dazu. Was mochte hinter den sechs Gesichtern vorgehen, die Caesar jetzt zugewandt waren? Er würde Zeit brauchen, um es herauszufinden. Aber sein unbekümmertes, heiteres Auftreten hatte sie wenigstens ein bißchen aus der Reserve gelockt, und genau das hatte auch in seiner Absicht gelegen; er wollte nicht, daß sie ihn ausschlossen oder irgendwelche Dinge vor ihm verbargen. Keine dieser Vestalinnen war bereits auf der Welt gewesen, als Rom in der Person des berühmten Ahenobarbus zum letztenmal einen so jungen Pontifex Maximus gehabt hatte. Deshalb war es ihm wichtig, ihnen das Gefühl zu geben, daß das neue Oberhaupt ihnen ein pater familias war, an den sie sich ohne jeden Vorbehalt wenden konnten. Er durfte sich zu keinem begehrlichen Blick, keiner zu vertraulichen Berührung, keiner Anspielung hinreißen lassen. Andererseits durfte er nicht kühl, unnahbar, förmlich und uneinfühlsam erscheinen.
Licinia hüstelte nervös, bevor sie es wagte, das Wort an ihn zu richten: »Wann wirst du hier einziehen, domine?«
In der Tat war er ihr Herr, und er hatte bereits beschlossen, sich auch als solcher von ihnen anreden zu lassen. Sie mochten seine Mädchen sein, aber es mußte ausgeschlossen werden, daß sie ihren Mann in ihm sahen.
»Vielleicht übermorgen«, sagte er lächelnd, streckte die Beine von sich und seufzte.
»Du willst sicher, daß dir jemand das Haus zeigt.«
»Ja. Und morgen, wenn ich meine Mutter mitbringe, noch einmal.«
Sie hatten nicht vergessen, daß er eine hochangesehene Mutter hatte, und wußten auch über seine sonstigen Familienverhältnisse Bescheid — über die Verlobung seiner Tochter mit Caepio Brutus und über die zweifelhafte Gesellschaft, in der seine geistig wenig anspruchsvolle Frau verkehrte. Seine Antwort hatte ihnen klargemacht, wie die Hierarchie aussah: Zuerst kam die Mutter. Was für eine Erleichterung!
»Und deine Frau?« fragte Fabia, die Pompeia persönlich für eine sehr schöne und verführerische Frau hielt.
»Meine Frau ist nicht so wichtig«, erwiderte Caesar kühl. »Ich bezweifle, daß sie sich hier blicken lassen wird. Ihr gesellschaftliches Leben nimmt sie sehr in Anspruch. Aber meine Mutter interessiert sich für alles.« Diese letzte Bemerkung hatte er wieder mit seinem unwiderstehlichen Lächeln begleitet, und er fügte hinzu: »Mater ist eine wunderbare Frau. Ihr müßt keine Angst vor ihr haben. Fürchtet euch nicht, mit ihr zu reden. Auch wenn ich euer pater familias bin, es gibt sicher Dinge in eurem Leben, die ihr lieber mit einer Frau besprechen wollt. Bis heute hättet ihr dazu entweder dieses Haus verlassen oder die Dinge unter euch besprechen müssen. Mater verfügt über einen großen Schatz an Erfahrung und sehr viel gesunden Menschenverstand. Bedient euch des einen wie des anderen. Sie erzählt eure Geheimnisse nicht weiter, nicht einmal mir.«
»Wir freuen uns auf ihre Ankunft«, erwiderte Licinia förmlich.
»Und was euch betrifft«, wandte Caesar sich an die beiden Kinder, »meine Tochter ist nicht viel älter als ihr, und auch sie ist ein wunderbarer Mensch. Ihr werdet in ihr eine Freundin finden.«
Er entlockte ihnen damit ein schüchternes Lächeln, aber keinerlei Versuch, sich am Gespräch zu beteiligen. Er und seine Familie — das erkannte er mit einem heimlichen Stoßseufzer — würden viel Geduld aufbringen müssen, um diese unglückseligen Opfer des mos maiorum an sich und die neue Ordnung im Hause zu gewöhnen.
Ein paar Augenblick lang harrte er noch ganz entspannt dasitzend aus,
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