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MoR 04 - Caesars Frauen

Titel: MoR 04 - Caesars Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Vestalinnen benutzen die eine, der Pontifex Maximus die andere, aber wir wissen nicht, wem die mittlere Rampe diente und zu welchem Zweck. Vielleicht war sie für den Totenwagen des Königs bestimmt, ich weiß es nicht. Es ist ein Geheimnis«, sagte Licinia.
    »Irgendwo muß es einen Schlüssel dafür geben«, meinte Caesar. Er sah die Vestalis Maxima fragend an. »Wohin jetzt?«
    »Das kommt darauf an, welche Seite du zuerst sehen willst, domine.«
    »Nehmen wir deine Seite.«
    In der Gebäudehälfte des Domus Publica, in der die Vestalinnen untergebracht waren, gab es auch einen Arbeitsraum, einen wie ein L geformten Raum von etwa fünfzehn Meter Länge. Was in einem gewöhnlichen Haus das Atrium oder der Empfangsraum gewesen wäre, diente den Vestalinnen — den offiziellen Hüterinnen aller römischen Testamente — als Arbeitsplatz. Der Raum war zu diesem Zweck sehr geschickt umgebaut worden: Regale bis unter die hohe Decke, in denen Buchbehälter oder ungeschützte Papierrollen aufbewahrt wurden, Schreibtische mit Stühlen, Leitern und Hocker, eine Reihe von Ständern, von denen große Pergamentbögen hingen, zusammengesetzt aus kleineren Rechtecken, die man sorgfältig miteinander vernäht hatte.
    »Hier nehmen wir die Testamente in Verwahrung«, sagte die Vorsteherin der Vestalinnen und deutete auf den Teil des Raumes, in dem sich die Tür befand, durch die diejenigen den Raum betraten, die ihren letzten Willen im Atrium Vestae zu hinterlegen wünschten. »Wie du sehen kannst, ist er durch eine Wand vom größeren Teil des Raumes abgetrennt. Möchtest du einen Blick hineinwerfen, domine?«
    »Danke, ich kenne den Ort«, sagte Caesar, der schon so manches Testament vollstreckt hatte.
    »Heute, am Feiertag, sind die Türen natürlich verschlossen, und niemand tut hier Dienst. Aber morgen arbeiten wir wieder.«
    »Und in diesem Teil des Raumes werden die Testamente aufbewahrt?«
    »O nein!« stieß Licinia entsetzt hervor. »Das ist nur unser Archiv.«
    »Archiv?«
    »Ja, zu jedem Testament, das bei uns hinterlegt wird, legen wir ein Karteiblatt an — Name, Tribus, Adresse, Alter, Datum der Hinterlegung und so weiter. Wenn das Testament vollstreckt wird, verläßt es diese Räume. Aber nicht das Karteiblatt. Das wird für immer hier aufbewahrt.«
    »Deshalb alle diese Schachteln und Fächer. Sie sind mit lauter Karteiblättern vollgestopft?«
    »Ja.«
    »Und diese hier?« fragte er und ging zu einem der Ständer hinüber, um die Pergamentblätter zu zählen, die von ihm herunterhingen.
    »Das sind unsere Übersichtspläne, die Handbücher, nach denen wir alles finden, von den Namen und den dazugehörigen Tribus bis hin zu Listen von municipia, Städten in der ganzen Welt, und den Plänen unseres Lagersystems. Einige von ihnen enthalten das Gesamtverzeichnis der römischen Bürger.«
    An dem Ständer hingen sechs Pergamentbögen, jeder von ihnen einen halben Meter breit, anderthalb Meter lang und auf beiden Seiten mit einer klaren, feinen, schwarz abgehobenen Schrift bedeckt, die jedem geübten griechischen Schreiber alle Ehre gemacht hätte. Caesar ließ den Blick durch den Raum schweifen und zählte insgesamt dreißig Ständer. »Da ist ja noch mehr aufgelistet, als du mir erzählt hast.«
    »Ja, domine. Wir archivieren alles, was wir bekommen, weil es uns interessiert. Die erste Aemilia, die Vestalin wurde, war klug und wußte, daß die alltäglichen Aufgaben, das Hüten des heiligen Feuers und das Heranschaffen des Wassers aus dem Brunnen — damals noch aus dem Brunnen von Egeria, ein viel weiterer Weg als nach Juturna — bei weitem nicht ausreichten, um unseren Geist zu beschäftigen und unsere Gedanken und Gelöbnisse rein zu halten. Als Töchter des Königs waren wir Vestalinnen die Hüterinnen der Testamente, aber unter Aemilia begannen wir zusätzlich damit, Archive anzulegen.«
    »Demnach ist das hier ein wahrer Schatz an Informationen.«
    »Ja, domine.«
    »Wie viele Testamente habt ihr in eurer Obhut?«
    »Etwa eine Million.«
    »Alle hier aufgelistet«, sagte er und schloß in seine Handbewegung sämtliche vier hohen, mit Regalen versehenen Wände ein.
    »Ja und nein. Die gegenwärtigen Testamente beschränken sich auf die Wandfächer; wir finden es einfacher, auf einer nackten Rolle nachzusehen, als sie jedesmal aus einer Buchschachtel holen zu müssen. Wir halten das alles staubfrei. Die Schachteln enthalten die Karteiblätter der Testamente, die nicht mehr in unserer Obhut sind.«
    »Wie weit

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