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MoR 04 - Caesars Frauen

Titel: MoR 04 - Caesars Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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reichen eure Karteien zurück, Licinia?«
    »Bis zu den beiden jüngsten Töchtern des Königs Ancus Marcius, allerdings nicht in der Abteilung, die Aemilia eingerichtet hat.«
    »Ich beginne zu verstehen, warum Ahenobarbus euch eine Wasserleitung legen ließ und das Wasserholen aus dem Brunnen von Juturna auf einen rituellen Eimer täglich reduzierte. Ihr habt Wichtigeres zu tun, auch wenn Ahenobarbus damals einen großen Skandal ausgelöst hat.«
    »Wir werden Ahenobarbus Pontifex Maximus ewig dankbar dafür sein«, sagte Licinia und ging voraus zu einer Treppe. »Mit dem zweiten Stockwerk hat er uns das Leben nicht nur leichter und gesünder gemacht, er hat uns auch den Raum gegeben, um die Testamente selber zu lagern. Sie waren im Keller aufbewahrt, wir hatten keinen anderen Platz. Aber auch so ist die Lagerung wieder ein Problem. Früher waren die Testamente auf die römischen Bürger beschränkt, hauptsächlich auf Römer, die hier in Rom wohnten. Heutzutage nehmen wir beinahe alle Testamente von Bürgern und Nichtbürgern aus aller Welt an.« Sie hustete und mußte niesen, als sie den oberen Treppenabsatz erreicht hatte und eine Tür zu einer großen Höhle öffnete, die nur von einer Seite — einer Reihe von Fenstern, die auf den Vesta-Tempel blickten — Licht bekam.
    Caesar verstand ihre plöfzliche Atemnot; der Raum sonderte ein Miasma aus Papierpartikeln und knochentrockenem Staub ab.
    »Hier lagern die Testamente der römischen Bürger, ungefähr eine dreiviertel Million«, sagte Licinia. »Dort drüben Rom, hier Italien. Da die verschiedenen Provinzen. Und hier hinten andere Länder. Und dort die neue Abteilung für das italische Gallien. Sie wurde nach dem Italischen Krieg nötig, als alle Gemeinwesen südlich des Padus eingebürgert wurden. Wir mußten auch unsere italische Abteilung erweitern.«
    Alles war in Regalen untergebracht — lange Reihen gestapelter Holzkästen, jedes Testament genau beschriftet, bis zu fünfzig in einem Kasten. Caesar zog aus einem Kasten der Abteilung für das italische Gallien eines heraus, dann noch zwei weitere. Sie unterschieden sich in der Dicke und in der Art des Papiers, jedes von ihnen war mit Wachs und persönlichen Insignien versiegelt. Das eine dick und schwer — ein umfangreiches Vermögen! Ein anderes schmal und bescheiden — da hatte jemand vielleicht nur eine kleine Hütte und ein Schwein hinterlassen.
    »Und wo sind die Testamente der Nichtbürger gelagert?« fragte er, als Licinia vor ihm die Treppe hinunterstieg.
    »Im Keller, domine, zusammen mit dem Archiv aller Armeetestamente und Todesfälle im Militärdienst. Natürlich lagern hier nicht die Testamente der Soldaten — sie bleiben in der Obhut der Legion. Sie werden vernichtet, wenn der Soldat aus dem Dienst ausscheidet. Er fertigt dann ein neues an und gibt es uns zur Verwahrung.« Sie seufzte sorgenvoll. »Da unten ist noch freier Platz, aber ich fürchte, über kurz oder lang werden wir einen Teil der Testamente von den Bürgern aus der Provinz in den Keller bringen müssen; außerdem lagert da unten noch eine Menge sakrales Gerät, das wir für die Zeremonien brauchen. Was machen wir, wenn der ganze Keller so voll ist wie zu Ahenobarbus’ Zeit?« fragte sie mit klagender Stimme.
    »Das wird nicht mehr deine Sorge sein, Licinia«, sagte Caesar, »aber zweifellos meine. Was für ein außerordentlicher Gedanke, daß die Tüchtigkeit römischer Frauen und der weibliche Sinn für Ordnung und Genauigkeit hier ein Depot geschaffen haben, wie es auf der ganzen Welt nicht seinesgleichen findet! Wer möchte nicht gern, daß sein Testament vor neugierigen Blicken und betrügerischen Federstrichen sicher ist? Nirgends ist so gut dafür gesorgt wie im Atrium Vestae.«
    Die Tragweite dieser Feststellung entging ihr, weil sie zu sehr vom Schrecken über ein Versäumnis in Anspruch genommen wurde. »Domine, ich habe ganz vergessen, dir die Abteilung für die Testamente der Frauen zu zeigen«, rief sie.
    »Ja, auch Frauen machen Testamente«, sagte er und blieb dabei ernst. »Tröstlich zu wissen, daß ihr die Geschlechter trennt, sogar im Tod.« Während die Bemerkung irgendwo über ihren Kopf hinwegschwebte, dachte er bereits an etwas anderes. »Es erstaunt mich, daß so viele Menschen ihre Testamente hier in Rom lagern, selbst wenn sie ganz woanders, nicht selten viele Reisemonate weit entfernt leben. Man sollte denken, daß alle beweglichen Dinge und das Münzgeld längst verschwunden sind, bis so ein

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