MoR 04 - Caesars Frauen
dann erhob er sich: »Also gut, Mädchen, das soll für den ersten Tag reichen. Licinia, wenn du mir bitte jetzt das Domus Publica zeigen würdest.«
Er ging in die Mitte des von der Sonne verschmähten Peristyliums und sah sich um.
»Dies ist der öffentliche Innenhof«, sagte Licinia. »Du kennst ihn ja von den Veranstaltungen, an denen du hier teilgenommen hast.«
»Aber bei keiner von ihnen hatte ich Muße, um ihn mir genau anzusehen«, erwiderte Caesar. »Wenn einem etwas gehört, betrachtet man es mit ganz anderen Augen.«
Nirgends war die Höhe des Domus Publica augenfälliger als von der Mitte des größten Innenhofs aus. Auf allen vier Seiten war er von einer Mauer umgeben, die bis zu den Spitzen der Dächer reichte. Eine überdachte Kolonnade aus tiefroten dorischen Säulen lief ganz um den gesamten Hof herum; die mit Läden verschlossenen Bogenfenster des obersten Stockwerks ragten über ihre wundervoll bemalten Rückwände hinaus, auf deren rotem Untergrund sich Darstellungen von einigen der berühmtesten Vestalinnen und ihren Taten fanden. Besondere Sorgfalt hatte man auf die Gesichter verwendet, denn gerade die Vorsteherinnen hatten seit jeher sehr strenge Maßstäbe an ihre eigenen imagines gelegt — wächserne, besonders lebensecht kolorierte Masken, die von naturgetreuen Perücken gekrönt waren.
»Die Marmorstatuen sind alle von Leucippus und die bronzenen von Strongylion«, erklärte Licinia. »Es sind Geschenke eines meiner Vorfahren, Crassus Pontifex Maximus.«
»Und der Teich? Er ist hübsch.«
»Gespendet von Scaevola Pontifex Maximus, domine.«
Offensichtlich kümmerte sich schon jemand um den Garten, aber Caesar wußte bereits, wie der neue Gärtner heißen würde: Gaius Matius. Er drehte sich um und betrachtete die Rückseite. Hunderte von Fenstern schienen von der Via Sacra auf sie herunterzublicken, und in den meisten von ihnen waren Gesichter zu sehen; jeder wußte, daß heute der neue Pontifex Maximus ins Amt eingeführt worden war und daß er anschließend seinem Domizil und seinen Schutzbefohlenen, den Vestalinnen, einen Besuch abstatten würde.
»Ihr seid hier keinen Moment unbeobachtet«, sagte er.
»Nein, domine, nicht im größten Innenhof. Unseren eigenen Innenhof hat Ahenobarbus Pontifex Maximus hinzugefügt, und er hat so hohe Mauern errichten lassen, daß uns dort niemand sehen kann.« Sie seufzte und fügte hinzu: »Die Sonne leider auch nicht.«
Sie gingen weiter in den einzigen öffentlichen Raum, die cella zwischen den beiden Seiten des Gebäudes, die den Tempel bildeten. Es standen zwar keine Statuen darin, aber die Wände waren bemalt und großzügig vergoldet; leider fiel so wenig Licht in den Raum, daß man die Malereien nicht gebührend würdigen konnte. Auf jeder Seite stand eine lange Reihe von Miniaturtempeln, jenen Schreinen, in denen seit den Anfangstagen des Ordens, der Zeit der ersten römischen Könige, die imagines der Vestalis Maxima eine Heimstatt hatten. Es hatte keinen Zweck, einen von ihnen zu öffnen, um einen Blick auf die Farbe von Claudias Haar oder ihre Frisur zu werfen — dazu war es viel zu dunkel.
»Wir müssen sehen, was sich da machen läßt«, sagte Caesar und ging zurück in die Vorhalle, den Raum, den er als ersten betreten hatte.
Hier zeigte sich das Alter des Gebäudes am deutlichsten; die Vorhalle war so alt, daß Licinia ihm nicht erklären konnte, warum sie so aussah, wie sie aussah, oder was man mit den einzelnen Bauelementen bezweckt hatte. Zehn Fuß hinter der äußeren Tür stieg der Boden an und führte in drei getrennten Rampen, die mit einem wahrhaft meisterlichen Mosaik aus Glas oder Fayence ausgelegt waren, zum Eingang des Tempels. Getrennt waren die Rampen durch zwei amygdala, mandelkernförmige Brunnen, die mit von der Zeit geschwärzten Tuffblöcken gepflastert waren und in deren Mitte je ein Sockel aus poliertem schwarzen Stein stand; die Sockel dienten als Podeste für die beiden Hälften eines ausgehöhlten, kugelförmigen Felsblocks, die mit granatfarbenen, wie Blutstropfen glitzernden Kristallen ausgelegt waren. Auf jeder Seite der äußeren Tür stand ebenfalls je ein mit Tuffsteinen gepflasterter Brunnen mit geschwungenen Innenkanten. Die Wände und die Decke waren wesentlich jüngeren Datums, eine Pracht aus Gipsblumen und Flechtwerk, in Grüntönen getüncht und teilweise sogar vergoldet.
»Der geweihte Wagen, auf dem wir unsere Toten befördern, läßt sich leichter über die Rampe rollen — die
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