MoR 04 - Caesars Frauen
viel Gewicht, und trotzdem besaß Lucius Decumius in gewissen Kreisen viel Macht und großen Einfluß. Er war der Kustos eines Kreuzwegevereins, einer Bruderschaft, die ihr Hauptquartier in Aurelias Mietshaus hatte, und jeder Mann im Viertel — gleich welcher Klasse er angehörte — war verpflichtet, diesen Räumlichkeiten, die ebensogut eine Taverne wie ein religiöser Treffpunkt waren, von Zeit zu Zeit einen Höflichkeitsbesuch abzustatten. Und als Kustos seiner Bruderschaft besaß Lucius Decumius eine gewisse Autorität; außerdem hatte er sich mit zahlreichen zwielichtigen Geschäften ein nicht unbeträchtliches Vermögen erworben, von dem er gegen hohe Zinsen Geld an diejenigen verlieh, die den Zielen des Lucius Decumius oder seines Patrons Caesar später einmal nützlich sein konnten. Caesar, den er mehr liebte als seine beiden kräftigen Söhne, Caesar, der sich als junger Bursche schon an einigen seiner fragwürdigen Abenteuer beteiligt hatte...
»Deine Zimmer am Ende der Straße sind für dich hergerichtet«, sagte der alte Mann und grinste breit. »Neues Bett—recht hübsch.«
Aus den eisigen, blaßblauen Augen leuchtete es; Caesar erwiderte das Grinsen und zwinkerte ihm zu. »Ich werd’ es in Augenschein nehmen und dann mein eigenes Urteil fällen, Papa. Da fällt mir ein — könntest du der Frau von Decimus Junius Silanus eine Nachricht von mir bringen?«
Lucius Decumius legte die Stirn in Falten. »Servilia?«
»Scheint eine Berühmtheit zu sein, diese Dame.«
»Und ob. Sie herrscht unerbittlich über ihre Sklaven.«
»Woher willst du das wissen? Ich nehme an, ihre Sklaven besuchen den Kreuzwegeverein auf dem Palatin.«
»Nun, so etwas spricht sich herum. Sie schreckt auch vor Kreuzigungen nicht zurück, wenn sie’s für richtig hält. Hat sie schon gemacht, vor aller Augen im eigenen Garten. Und stell dir vor, vorher werden sie ausgepeitscht, damit sie nicht so lange am Kreuz hängen!«
»Wie rücksichtsvoll«, sagte Caesar und machte sich daran, die Botschaft für Servilia zu formulieren. Er rechnete gar nicht damit, daß Lucius Decumius ihn vor ihr warnen oder sich gar anmaßen würde, seinen Geschmack zu kritisieren; Lucius Decumius würde seine Pflicht tun und die Nachricht überbringen.
Caesar legte nicht viel Wert auf gutes Essen, er war kein Feinschmecker und schon gar kein Mann von epikuräischer Lebensart, also kaute er geistesabwesend auf einem knusprigen, frischen Brötchen vom Bäcker in Aurelias Straße herum und trank einen Becher klares Wasser dazu, während er seine Klienten begrüßte. Sein Verwalter, der um Caesars Großzügigkeit wußte, ging bereits mit Tabletts herum und servierte eben solche Brötchen und mit Wasser verdünnten Wein für diejenigen, die ihn reinem Wasser vorzogen, außerdem kleine Schalen mit Öl oder Honig zum Eintunken. Wie schön zu sehen, daß Caesars Klientel ständig größer wurde!
Einige waren nur gekommen, um ihm zu zeigen, daß sie zu seiner Verfügung standen, andere wiederum hatten irgendein Anliegen: eine Empfehlung für einen Arbeitgeber, eine Anstellung für einen gut ausgebildeten Sohn im Schatzamt oder in den Archiven, oder es wollte jemand wissen, was Caesar von einem Heiratsangebot an die Tochter oder einem Kaufvertrag über ein Stück Land hielt. Ein paar waren gekommen, um ihn um Geld zu bitten, und auch ihnen wurde mit größter Bereitwilligkeit geholfen, als sei Caesars Geldbeutel so prall gefüllt wie der von Marcus Crassus — und dabei war er so leer.
Die meisten Klienten gingen wieder, nachdem ein paar Worte gewechselt worden waren. Diejenigen, die noch blieben, brauchten ein paar Zeilen von ihm und warteten geduldig, bis er hinter seinem Schreibtisch Platz genommen und das Papier bereitgelegt hatte. So waren bereits vier der länger werdenden Frühlingsstunden verstrichen, bevor der letzte Besucher sich empfohlen hatte und der Rest des Tages Caesar nun endlich allein gehörte. Natürlich waren die Männer nicht weit gegangen; als er eine Stunde später aus seiner Wohnung trat, nachdem er die dringendste Korrespondenz erledigt hatte, schlossen sie sich ihm erneut an und begleiteten ihn zu den Orten, zu denen seine Geschäfte ihn führten. Ein Mann mußte sich in der Öffentlichkeit mit seinen Klienten zeigen.
Leider war auf dem Forum Romanum niemand von Bedeutung anwesend, als Caesar und sein Gefolge am Fuße des Argiletum ankamen und zwischen der Basilica Aemilia und der Treppe der Curia Hostilia hindurchgingen. Und
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