MoR 04 - Caesars Frauen
Cicero. Dann schritt er zu den großen Türen des Hauses, wandte sich dort um und stellte sich vor den Reihen der erregten Senatoren in Positur.
»Lucius Sergius Catilina, du verletzt die Geschäftsordnung dieser Körperschaft!« schrie Cicero. Er spürte, daß ihm die Kontrolle über die Versammlung zu entgleiten drohte. »Geh zurück an deinen Platz!«
»Ich denke nicht daran! Und ich werde nicht einen Moment länger hierbleiben, um mir die Unverschämtheiten dieses Emporkömmlings ohne Vorfahren anzuhören, der mich des Hochverrats bezichtigt, wenn ich das richtig deute! Und ferner, Senatoren, setze ich euch davon in Kenntnis, daß ich morgen früh nach Sonnenaufgang vor die Schranken treten werde, um mich als euer Konsul zur Wahl zu stellen! Ich hoffe inständig, daß ihr diesen kranken Kopf des Staates zur Vernunft bringt, damit er morgen seiner Pflicht nachkommt und die Wahlen abhalten läßt! Und ich warne dich, Marcus Tullius Cicero, sollte die saepta morgen leer sein, dann kommst du besser gleich mit deinen Liktoren, um mich zu verhaften und des perduellio anzuklagen! Maiestas wird nicht ganz ausreichen für einen Mann, dessen Vorväter einst zu den hundert Beratern von König Tullus Hostilius gezählt haben!«
Catilina wandte sich zu den Türen um, riß sie auf und verschwand.
»Nun, Marcus Tullius Cicero, was beabsichtigst du zu tun?« fragte Caesar, lehnte sich zurück und gähnte. »Er hat recht. Du kannst es drehen und wenden, wie du willst, du hast ihn beschuldigt.«
Cicero verschwamm alles vor den Augen. Er suchte nach einem Gesicht, dessen Besitzer auf seiner Seite war, und der ihm glaubte. Catulus? Nein. Hortensius? Nein. Cato? Nein. Lucullus oder Poplicola. Nein.
Er richtete sich auf, stand kerzengerade da. »Ich verlange eine Abstimmung«, sagte er mit fester Stimme. »Alle, die dafür sind, daß die kurulischen Wahlen morgen stattfinden und daß es Lucius Sergius Catilina erlaubt werden soll, sich den Wählern zu stellen, mögen sich bitte zu meiner Linken aufstellen. Alle, die dafür sind, die kurulischen Wahlen noch einmal zu vertagen und eine genaue Untersuchung von Lucius Sergius Catilinas Kandidatur durchzuführen, mögen sich zu meiner Rechten aufstellen.«
Es war ein aussichtsloses Unterfangen, trotz Ciceros List, alle, die mit ihm einer Meinung waren, zu seiner Rechten zu versammeln. Keiner der Senatoren ging leichten Herzens nach links hinüber. Aber dieses eine Mal siegte die Besonnenheit über das Mißtrauen. Das gesamte Haus versammelte sich links und genehmigte damit die Wahlen am nächsten Tag. Lucius Sergius Catilina durfte für das Amt des Konsuls kandidieren.
Cicero löste die Sitzung auf. Er wollte schnell nach Hause, denn er fürchtete, er könne in aller Öffentlichkeit in Tränen ausbrechen.
Der Stolz verbot es Cicero, sich seiner Pflicht zu entziehen. Mit einem Brustharnisch unter der Toga führte er den Vorsitz über die Wahlen, nachdem er mehrere hundert junge Männer dazu abkommandiert hatte, sich möglichst auffällig in der Nähe der saepta aufzuhalten, um jeden Aufstand im Keim zu ersticken. Zu ihnen gehörte auch Publius Clodius, dessen Haß auf Catilina bei weitem stärker war als der leichte Unmut, der Cicero in ihm hervorrief. Und wo Clodius war, da waren auch Poplicola, Curio, Decimus Brutus und Marcus Antonius — alles Mitglieder des inzwischen florierenden Clodius-Clubs.
Und was die Senatoren nicht glauben wollten, das — so stellte Cicero erleichtert fest — schien der gesamte Ordo Equester durchaus zu glauben. Für einen Ritter, der Geschäfte tätigte, gab es nichts Abschreckenderes als das Gespenst eines allgemeinen Schuldenerlasses. Die Zenturien stimmten eine nach der anderen dafür, daß Decimus Junius Silanus und Lucius Licinius Murena im folgenden Jahr Konsuln würden. Catilina blieb noch hinter Servius Sulpicius zurück, wenn er auch mehr Stimmen bekam als Lucius Cassius.
»Du verfluchter Verleumder!« fauchte einer der diesjährigen Prätoren, der Patrizier Lentulus Sura, als die Zenturien sich nach einem langen Wahltag auflösten, an dem zwei Konsuln und acht Prätoren gewählt worden waren.
»Wie bitte?« fragte Cicero verdutzt. Ihn drückte das Gewicht des schweren Harnischs, den er angelegt hatte. Für sein Leben gern hätte er seine Taille entlastet, die für solche Rüstungen einfach zu füllig geworden war.
»Du hast mich schon verstanden! Es ist deine Schuld, daß Catilina und Cassius es nicht geschafft haben, du verfluchter
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