MoR 04 - Caesars Frauen
ökonomische Maßnahmen, die eben eher mit Revolutionen als mit gesetzestreuen Konsuln in Verbindung gebracht wurden. Nach Marius, Cinna, Carbo, Sulla, Sertorius und Lepidus mußte doch sogar ein Catilina begriffen haben, daß die Republik sich nicht so einfach umstürzen ließ. Er war ein ehrloser Mann, das wußte jeder, aber vor seiner Kandidatur zum Konsul hatte er kein Staatsamt innegehabt; man hatte ihm weder Befehlsgewalt noch eine Armee übertragen, und er besaß nicht annähernd so viele Klienten in Etruria wie Marius oder Lepidus. Man mußte Catilina nur ein bißchen angst machen, dann würde er schon wieder kuschen.
Keiner, dachte der Erste Konsul, während er den Blick über die Reihen auf beiden Seiten des Hauses schweifen ließ, keiner hatte auch nur eine Ahnung davon, was in der Luft lag. Crassus saß gelangweilt da, Catulus sah recht alt aus und sein Schwager Hortensius ein wenig müde, Catos Nackenhaare standen hoch wie bei einem wütenden Köter, Caesar vergewisserte sich eben mit einem Betasten seines Kopfes, daß sein zweifellos schütterer werdendes Haar sein Haupt noch ausreichend bedeckte, Murena blickte angesichts der Verschiebung der Wahl zornig drein, und Silanus wirkte nicht annähernd so gesund, wie seine Wahlhelfer behauptet hatten. Und endlich hatte auch der große Triumphator Lucius Licinius Lucullus seinen Platz unter den Konsularen wieder eingenommen. Cicero, Catulus und Hortensius hatten ihre gesamte Redekunst eingesetzt und den Senat dazu gebracht, ihm seinen Triumphzug zu gewähren. Endlich durfte der wahre Eroberer des Ostens das pomerium überqueren und seinen rechtmäßigen Platz in Senat und Komitien wieder einnehmen.
»Lucius Sergius Catilina«, rief Cicero vom kurulischen Podium herunter, »ich wäre dir dankbar, wenn du dich erheben wollest.«
Zuerst hatte Cicero vorgehabt, auch Lucius Cassius zu beschuldigen, aber nach sorgfältiger Überlegung hatte er beschlossen, sich ganz auf Catilina zu konzentrieren. Und der stand nun da wie die arglose Verwunderung in Person. Was für ein gutaussehender Mann! Hochgewachsen und gut gebaut, jeder Zentimeter ein patrizischer Aristokrat. Wie Cicero sie verachtete, diese Catilinas und Caesars! Was war mit seiner durchaus respektablen Herkunft? Warum behandelten sie ihn wie einen üblen Auswuchs am römischen Volkskörper?
»Ich stehe vor dir, Marcus Tullius Cicero«, sagte Catilina mit ruhiger Stimme.
»Lucius Sergius Catilina, kennst du zwei Männer namens Gaius Manlius und Publius Furius?«
»Ich habe zwei Klienten mit diesen Namen.«
»Weißt du, wo sie sich zur Zeit aufhalten?«
»In Rom, will ich hoffen! Eigentlich sollten sie jetzt auf dem Marsfeld sein, um für mich zu stimmen. Statt dessen werden sie wohl in irgendeiner Taverne hocken.«
»Und wo haben sie sich in letzter Zeit aufgehalten?«
Catilina hob die schwarzen Augenbrauen. »Marcus Tullius, meine Klienten sind mir keineswegs über jeden ihrer Schritte Rechenschaft schuldig. Ich weiß, daß du kein bedeutender Mann bist, aber hast du so wenige Klienten, daß du nicht einmal weißt, nach welchen Regularien eine Patron-Klienten-Beziehung abzulaufen hat?«
Cicero wurde rot im Gesicht. »Überrascht es dich zu erfahren, daß Manlius und Furius kürzlich in Faesulae, Volaterrae, Clusium, Saturnia, Larinum und Venusia gesehen worden sind?«
Catilina zuckte kurz zusammen. »Wie sollte mich das überraschen, Marcus Tullius? Sie haben beide Ländereien in Etruria, und Furius besitzt auch noch welche in Apulia.«
»Dann überraschtes dich auch nicht, daß Manlius und Furius jedem, der eine Stimme bei den Zenturiatswahlen hat, erzählt haben sollen, daß du und dein Kollege Lucius Cassius euch mit der Absicht tragt, einen allgemeinen Schuldenerlaß zum Gesetz zu machen, sowie ihr euer Amt als Konsuln angetreten habt?«
Damit rief er ein verwundertes Lachen hervor. Als Catilina sich beruhigt hatte, starrte er Cicero an, als sei dieser plötzlich verrückt geworden. »Das überrascht mich in der Tat!« sagte er.
Erste Unruhe war bereits entstanden, als Cicero diesen furchtbaren Ausdruck »allgemeiner Schuldenerlaß« gebraucht hatte, und jetzt breitete sich im Haus vernehmliches Gemurmel aus. Natürlich gab es einige unter den Anwesenden, denen eine solch radikale Maßnahme durchaus genehm gewesen wäre, gerade jetzt, wo die Geldverleiher auf Rückzahlung der Darlehen drängten — auch Caesar, der neue Pontifex Maximus zählte dazu. Aber die meisten waren sich darüber im
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