MoR 04 - Caesars Frauen
Herz der römischen Gesellschaft zu erobern; statt dessen ließ er sie in der Anonymität ihres Haushalts verkümmern und versuchte aufgeregt und auf tausenderlei Arten, sich einen Adel zu erwerben, auf den er keinen Anspruch hatte.
»Du solltest Quintus herüberbitten«, sagte sie. Aber Cicero und sein jüngerer Bruder hatten mindestens ebenso unvereinbare Charaktere wie Cicero und Terentia, also schüttelte der Erste Konsul abschätzig den Kopf. »Quintus ist nicht besser als die anderen; er meint, daß ich aus einer Mücke einen Elefanten mache. Aber morgen treffe ich Atticus. Er glaubt mir. Leider ist er auch nur ein Ritter, wenngleich mit einem Funken Menschenverstand.« Er dachte einen Moment lang nach. »Lentulus Sura war heute in der saepta sehr grob zu mir, und ich verstehe nicht, warum. Ich weiß, daß viele Senatoren mir vorwerfen, ich hätte Catilina seiner Chancen beraubt, aber Lentulus Suras Reaktion war äußerst sonderbar. Es schien ihm — gar zu viel auszumachen.«
»Er und seine Julia Antonia und diese gräßlichen Lumpen von Schwiegersöhnen!« schimpfte Terentia. »Eine charakterlosere Bande muß man lange suchen. Ich könnte nicht einmal sagen, auf wen ich die größte Wut habe — auf Lentulus, Julia Antonia oder ihre grauenhaften Söhne.«
»Lentulus Sura hat sich gut gemacht, wenn man bedenkt, daß die Zensoren ihn vor sieben Jahren hinausgeworfen haben«, wandte Cicero ein. »Über das Amt des Quästors ist er in den Senat zurückgekehrt und hat ganz von vorn angefangen. Vor seinem Ausschluß war er immerhin schon einmal Konsul, Terentia. Es muß ein schrecklicher Abstieg sein, in diesem Alter noch einmal als Prätor anfangen zu müssen.«
»Er ist ein Schwächling, genau wie seine Frau«, meinte Terentia mitleidlos.
»Wie auch immer — heute benahm er sich sehr sonderbar. Morgen werde ich erfahren, was Atticus weiß, und das wird nicht uninteressant sein«, sagte Cicero und gähnte, bis ihm die Augen tränten. »Ich bin müde, meine Liebe. Schickst du mir bitte unseren Tiro herein? Ich will ihm etwas diktieren.«
»Du mußt ja schrecklich müde sein. Es sieht dir gar nicht ähnlich, daß du jemand anderen schreiben läßt. Ich schicke dir Tiro herein, aber nur für ein paar Minuten. Du brauchst Schlaf.«
Als sie sich von ihrem Stuhl erhob, streckte Cicero ihr spontan seine Hand hin und lächelte. »Ich danke dir, Terentia, für alles! Was wäre ich ohne dich an meiner Seite?«
Sie ergriff die ausgestreckte Hand, drückte sie fest und erwiderte sein Lächeln beinahe schüchtern: »Das tue ich doch gern, Mann«, sagte sie und lief schnell aus dem Zimmer, bevor ihre Gefühle sie überwältigen konnten.
Wäre Cicero gefragt worden, ob er seine Frau oder seinen Bruder liebe, er hätte ohne zu zögern mit »ja« geantwortet, und die Antwort wäre auch nicht ganz falsch gewesen. Aber es gab einige Menschen, die seinem Herzen noch näher lagen, und nur mit einem von ihnen war er blutsverwandt: Und das war seine Tochter Tullia, ein gemütvolles, sprühendes Gegenstück zu ihrer Mutter.
Sein Sohn war noch zu jung, um sein Herz erwärmen zu können, und vielleicht würde der kleine Marcus es nie schaffen, denn vom Charakter her glich er eher seinem Onkel Quintus; er war impulsiv, aufbrausend, prahlerisch und dabei alles andere als ein Wunderkind.
Und wer waren die anderen?
Tiro wäre Cicero als erster in den Sinn gekommen. Tiro war sein Sklave, doch in Wirklichkeit gehörte er längst zur Familie; das kam des öfteren vor in einer Gesellschaft, in der die Sklaven gar nicht sosehr als minderwertige Wesen angesehen wurden, sondern vielmehr als unglückliche Opfer des römischen Eigentumsrechts. Die römischen Haussklaven lebten in großer, beinahe intimer Nähe zu den freien Mitgliedern der Haushalte; in mancher Hinsicht waren sie Familienmitglieder zweiter Klasse, mit allen Vor- und Nachteilen eines solchen Status. Die unterschiedlichsten Persönlichkeiten waren auf engstem Raum miteinander verbunden, immer wieder kam es zu kleinen Zusammenstößen; Druckmittel gab es auf beiden Seiten, und es mußte schon ein besonders harter Herr sein, der den Druckmitteln von seiten der Sklaven widerstand. Im Haushalt der Tullius’ war Terentia diejenige, vor der ein Sklave sich in acht nehmen mußte, aber Tiro konnte nicht einmal Terentia widerstehen: Im Handumdrehen brachte er den kleinen Marcus zur Ruhe oder überzeugte Tullia davon, daß ihre Mutter im Recht war.
Er war als ganz junger Mann in
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