MoR 04 - Caesars Frauen
klaren, was für horrende wirtschaftliche Auswirkungen ein allgemeiner Schuldenerlaß nach sich ziehen würde. Trotz ihrer Schwierigkeiten, einen konstanten Kapitalfluß zu erzeugen, waren die Mitglieder des Senats im Herzen konservative Männer, mit denen radikale Neuerungen nicht einzuführen waren, auch nicht, was die Struktur des Geldes betraf. Und jedem schuldengeplagten Senator standen mindestens drei andere gegenüber, die bei einem allgemeinen Schuldenerlaß wesentlich mehr verloren als gewonnen hätten: Männer wie Crassus, Lucullus und der abwesende Pompeius Magnus. Deshalb war es auch nicht verwunderlich, daß sowohl Caesar als auch Crassus sich jetzt in die Brust warfen wie Hunde an der Kette.
»Ich habe in Etruria und Apulia gründliche Ermittlungen anstellen lassen, Lucius Sergius Catilina«, sagte Cicero, »und ich muß leider sagen, daß die Gerüchte sich bestätigt haben. Ich glaube, daß ihr tatsächlich die Schulden löschen wollt.«
Catilinas Antwort war ein nicht enden wollendes Lachen. Tränen liefen ihm übers Gesicht, er hielt sich die Seiten und schien tapfer bemüht, seine Heiterkeit unter Kontrolle zu bekommen; aber es wollte ihm nicht gelingen. Lucius Cassius, der nicht weit von ihm entfernt saß, zog indigniertes Erröten als Reaktion vor.
»Unsinn!« rief Catilina, als er dazu in der Lage war, und wischte sich mit einem Zipfel seiner Toga übers Gesicht, weil er in der Aufregung das Taschentuch nicht finden konnte. »Das ist Unsinn, barer Unsinn!«
»Würdest du das auf deinen Eid nehmen?« fragte Cicero.
»Nein, ich denke nicht daran!« schnauzte Catilina und richtete sich kerzengerade auf. »Ich, ein patrizischer Sergius, sollte mich mit einem Eid gegen das haltlose und boshafte Geschwätz eines Einwanderers aus Arpinum wehren müssen? Für wen hältst du dich, Cicero?«
»Ich bin Erster Konsul des Senats und Volkes von Rom«, erwiderte Cicero mit gequälter Würde. »Falls du es vergessen haben solltest, ich bin der Mann, der dich bei den letzten kurulischen Wahlen besiegt hat! Und als Erster Konsul bin ich der Kopf dieses Staates.«
Nach einem weiteren Lachanfall: »Man sagt, Rom habe zwei Körper, Cicero! Der eine der beiden sei schwach und krank im Kopf, der andere sei stark und habe gar keinen Kopf. Auf welchem dieser beiden Körper bist du der Kopf, o Cicero?«
»Nicht auf dem kranken, Licinius, da kannst du beruhigt sein! Ich bin in diesem Jahr der Vater und Behüter Roms, und ich beabsichtige, meine Pflicht zu tun, auch in einer solch grotesken Situation. Du hast also nicht vor, alle Schulden zu löschen?«
»Absolut nicht!«
»Aber du willst das nicht auf deinen Eid nehmen.«
»Ganz bestimmt nicht.« Catilina holte tief Luft. »Nein, das werde ich nicht tun! Trotzdem, o Kopf dieses Staates, angesichts deines verabscheuungswürdigen Verhaltens und deiner haltlosen Beschuldigungen könnte so mancher Mann zu der Überzeugung gelangen, daß Rom, falls es denn einen Kopf für seinen starken Körper sucht, nicht schlecht dabei fahren würde, wenn es meinen nähme! Meiner ist wenigstens ein römischer! Meiner hat wenigstens Vorfahren! Du willst mich vernichten, Cicero; du willst mir alle Chancen bei einer Wahl nehmen, die bis gestern noch eine gerechte und saubere Angelegenheit war. Jetzt stehe ich diffamiert da — als vollkommen unschuldiges Opfer eines anmaßenden Emporkömmlings aus den Bergen, eines Mannes, der weder ein Römer noch von Adel ist!«
Es kostete Cicero ungeheure Anstrengung, diese Verhöhnung unbeantwortet zu lassen, aber er blieb ruhig. Er mußte gelassen bleiben, sonst würde er diese Machtprobe verlieren. In diesem Moment hatte er verstanden, daß Fulvia Nobilioris die Wahrheit gesagt und daß Terentia recht gehabt hatte. Er konnte darüber lachen oder darüber weinen, aber Lucius Sergius Catilina plante tatsächlich einen Umsturz. Einem Advokaten, der schon so manchem Halunken ins Auge gesehen (und ihn verteidigt) hatte, konnte man nichts vormachen; jemand, der sich in Trotz und Aggressivität flüchtete, der verletzten Stolz als geeignete Verteidigung erachtete, verriet sich durch sein Gesicht und seine Körpersprache. Catilina war schuldig, das wußte Cicero.
Aber wußte es auch der Rest des Hauses?
»Darf ich um ein paar Kommentare bitten, versammelte Väter?«
»Nein, darfst du nicht!« rief Catilina, sprang von seinem Platz auf, stand mitten auf dem schwarzweißen Schachbrettmuster des Fußbodens und schüttelte wütend die Faust gegen
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