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MoR 04 - Caesars Frauen

Titel: MoR 04 - Caesars Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Epirus, einer griechischen Landschaft am Adriatischen Meer, nördlich des Golfes von Korinth.
    Atticus’ Vorliebe für junge männliche Liebhaber war allgemein bekannt, doch wurde bemerkenswert wenig darüber geklatscht, bedachte man, wie verpönt Homosexualität in Rom war. Das lag wohl daran, daß er sich ihr nur hingab, wenn er nach Griechenland reiste, wo derlei Vorlieben nicht nur allgemein üblich, sondern dem Ansehen eines Mannes sogar förderlich waren. Wenn er in Rom war, verriet er weder durch Äußerungen noch Aussehen, daß er die griechische Liebe praktizierte, und diese rigide Selbstkontrolle ermöglichte es Familie, Freunden und politischen Kollegen, so zu tun, als gäbe es diese andere Seite an Titus Pomponius Atticus überhaupt nicht. Das war um so wichtiger, als Atticus unglaublich reich geworden war und einen großen Einfluß in Finanzkreisen besaß. Unter allen publicani (Geschäftsleuten, die sich um Verträge mit der öffentlichen Hand bemühten) war er der Mächtigste und Einflußreichste. Bankier, Großreeder, König der Kaufleute — Atticus spielte eine gewichtige Rolle. Vielleicht konnte er einen Mann nicht zum Konsul machen, aber es war schon viel gewonnen, wenn er diesen Mann sichtbar unterstützte, wie er Cicero während seines Wahlkampfes unterstützt hatte.
    Er war außerdem Ciceros Verleger, nachdem er festgestellt hatte, daß Geld eine ziemlich langweilige und Literatur eine höchst erquickliche Sache war. Er war ausgesprochen gebildet, hatte eine natürliche Affinität zu Literaten und bewunderte Ciceros Umgang mit Worten wie kaum ein anderer. Es befriedigte und amüsierte ihn, als Mäzen von Schriftstellern aufzutreten — und außerdem verdiente er auch noch Geld damit. Das Verlagshaus, daß er auf dem Argiletum als Konkurrenz zu den Sosii gegründet hatte, florierte. Seine Verbindungen verhalfen ihm zu einem stetig anwachsenden Reservoir an literarischen Talenten, und seine Kopisten stellten hochgeschätzte Handschriften her.
    So groß und dünn und asketisch, wie er aussah, hätte er als der Vater des Metellus Scipio höchstpersönlich durchgehen können; dabei war er nicht einmal nah mit ihm verwandt, denn Metellus Scipio war nur durch Adoption ein Caecilius Metellus geworden. Immerhin sorgte die Ähnlichkeit dafür, daß die berühmten Familien keinen Zweifel an Alter und Adel seiner Herkunft hegten.
    Er liebte Cicero von ganzem Herzen, aber er war unnachgiebig gegenüber dessen Schwächen; darin folgte er Terentias Beispiel, die ebenfalls reich war und sich weigerte, ihrem Mann unter die Arme zu greifen, wenn seine Finanzen wieder einmal der Auffrischung bedurften. Einmal hatte Cicero seinen ganzen Mut zusammengenommen und Atticus um ein Darlehen gebeten, aber die Abfuhr war so drastisch ausgefallen, daß er diesen Versuch nicht wiederholt hatte. Manchmal hegte er die schwache Hoffnung, Atticus könnte ihm von sich aus etwas anbieten, aber Atticus dachte nicht daran. Bereitwillig brachte er dem Freund von seinen ausgedehnten Reisen nach Griechenland Statuen und andere Kunstgegenstände mit, aber Atticus bestand darauf, daß Cicero sie ihm bezahlte — einschließlich der Versandkosten nach Italien. Immerhin schien er die Zeit, die der Erwerb dieser Gegenstände ihn kostete, nicht zu berechnen. War Atticus also ein hoffnungsloser Geizkragen? Cicero hielt ihn nicht dafür, denn im Gegensatz zu Crassus war er ein äußerst großzügiger Gastgeber, und seinen Sklaven wie seinen freien Angestellten zahlte er guten Lohn. Es war eher so, daß Geld für Atticus eine ungeheuer wichtige Sache war, die größten Respekt verdiente, und er dachte nicht daran, es jenen generös zur Verfügung zu stellen, die dieser Sache nicht den gleichen Respekt entgegenbrachten wie er. Cicero war ein Künstlertyp, ein Zeitvergeuder, ein Windbeutel. Und deshalb schätzte er das Geld nicht so, wie das Geld es verdiente.
    Der dritte auf Ciceros Liste war Publius Nigidius Figulus, der aus einer ähnlich alten und ehrwürdigen Familie stammte wie Atticus. Wie Atticus, so hatte auch Figulus (das bedeutete Töpfer, aber wie der erste Nigidius, der ihn getragen hatte, zu dem Namen gekommen war, wußte die Familie nicht) auf öffentliche Ämter verzichtet. In Atticus’ Fall hätte eine öffentliche Laufbahn es ihm abverlangt, auf sämtliche Einkünfte zu verzichten, die nicht aus Landbesitz erwuchsen, und Atticus liebte den Handel nun einmal mehr als die Politik. Im Falle von Nigidius Figulus hätte eine

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