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MoR 04 - Caesars Frauen

Titel: MoR 04 - Caesars Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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politische Laufbahn seiner größten Vorliebe entgegengestanden, die den esoterischen Aspekten der Religion galt. Er war anerkannter Fachmann auf dem Gebiet der Weissagung, wie die alten Etrusker sie betrieben hatten, und wußte mehr über die Leber eines Schafes als jeder Metzger oder Tierarzt. Er kannte sich auch mit dem Flug der Vögel aus, den Zickzackmustern der Blitze, den Geräuschen des Donners oder der Erdbewegungen, mit Ziffern, Feuerbällen, Sternschnuppen, Eklipsen, Obelisken, aufrecht stehenden Steinen, Pylonen, Pyramiden, Kugeln, Grabhügeln, Himmelseiern, der Form und Farbe von Flammen, heiligen Hühnern und sämtlichen Windungen, die tierische Eingeweide annehmen konnten.
    Natürlich war er einer der Hüter der prophetischen Bücher Roms und eine Quelle der Informationen für das Kollegium der Auguren, von dessen Mitgliedern kein einziges ein Experte auf dem Gebiet der Vorzeichen war; schließlich waren die Auguren nicht mehr und nicht weniger als gewählte Religionsbeamte, die durch das Gesetz verpflichtet waren, eine Anleitung zu konsultieren, bevor sie Omen als gute oder unheilvolle Voraussagen deuteten. Ciceros heißester Wunsch war es, zum Auguren gewählt zu werden (er verstieg sich nicht zu der Hoffnung, man könnte ihn zum Pontifex wählen); sollte es eines Tages soweit kommen, hatte er sich geschworen, mehr Wissen über die Kunst des Voraussagens aufzubieten als alle seine Kollegen, denen — ob nun gewählt oder kooptiert — dieses religiöse Amt zugefallen war, weil ihre — Herkunft sie dazu bestimmt hatte.
    Zuerst hatte Cicero den Umgang mit Nigidius Figulus gepflegt, weil dieser soviel wußte, doch schon bald war er dem Charme seines liebenswürdigen, ruhigen und sensiblen Wesens erlegen. Seine soziale Stellung hatte ihn nicht überheblich gemacht, er liebte schlagfertige, lebhafte Gesellschaft und fand es herrlich, einen Abend mit Cicero zu verbringen, der gemeinhin für Schlagfertigkeit und geistreiche Konversation berühmt war. Nigidius Figulus war Junggeselle wie Atticus, aber im Gegensatz zu Atticus hatte er diesen Status aus religiösen Gründen gewählt; er glaubte fest daran, daß eine Frau im Haus seine mystischen Verbindungen zu unsichtbaren Kräften und Mächten zerstören würde. Frauen waren Erdenmenschen. Nigidius Figulus war ein Himmelsmensch. Himmel und Erde vermischten sich nicht; sie ergänzten sich ebensowenig, wie sie sich gegenseitig etwas nahmen. Außerdem hatte Nigidius Figulus schreckliche Angst von Blut an heiligen Orten, und Frauen bluteten nun einmal. Deshalb hatte er nur männliche Sklaven, und seine Mutter lebte bei seiner Schwester und ihrem Mann.
    Am Tag nach den kurulischen Wahlen war Atticus der einzige gewesen, den Cicero sehen wollte, aber Familienangelegenheiten kamen ihm dazwischen. Bruder Quintus war zum Prätor gewählt worden. Natürlich mußte das gefeiert werden, schon allein deshalb, weil Quintus dem Beispiel seines älteren Bruders gefolgt war und sich in suo anno wählen ließ, genau im richtigen Alter (er war neununddreißig). Dieser zweite Sohn eines bescheidenen Gutsherrn aus Arpinum lebte in einem Haus auf dem Carinae, das der alte Herr damals gekauft hatte, als er mit seiner Familie nach Rom gezogen war, um dem Wunderknaben Marcus alle Möglichkeiten zu bieten, nach denen sein Intellekt verlangte. Und so begab sich Cicero zusammen mit seiner Familie kurz vor der Mittagsstunde recht mißgelaunt auf den Carinae, auch wenn diese brüderliche Verpflichtung einem Gespräch mit Atticus nicht im Wege stand — er würde ebenfalls dort sein, weil Quintus mit Atticus’ Schwester Pomponia verheiratet war.
    Die zwei Brüder sahen sich sehr ähnlich, aber Cicero war zweifelsfrei der Attraktivere der beiden. Zum einen war er ein ganzes Stück größer und besser gebaut; Quintus war eher klein und schmal geblieben. Zum anderen hatte Cicero sein Haar behalten, während Quintus oben auf dem Kopf schon ganz kahl war. Quintus’ Ohren schienen viel mehr abzustehen als Ciceros, doch das war wohl eher eine optische Täuschung, hervorgerufen durch Ciceros massigen Schädel, der seine Ohren klein wirken ließ. Beide hatten sie braune Augen, braunes Haar und eine gesunde, braune Haut.
    Und in noch einer Hinsicht hatten sie viel gemeinsam: Sowohl Cicero als auch Quintus hatten reiche Hausdrachen geheiratet, Frauen, deren Eltern die Hoffnung, noch einen geeigneten Mann für die Tochter zu finden, bereits aufgegeben hatten. Terentia war berühmt dafür gewesen,

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