MoR 04 - Caesars Frauen
so wählerisch und gleichzeitig ein so schwieriger Mensch zu sein, daß keiner — und war er auch noch so bedürftig — den Mut aufgebracht hatte, sie um ihre Hand zu bitten. Sie hatte sich Cicero ausgesucht, nicht umgekehrt. Und was Pomponia betraf — nun, zweimal hatte Bruder Atticus aus Verzweiflung über sie die Hände in die Luft geworfen! Sie war häßlich, feindselig, grob, griesgrämig, eigensinnig, rachsüchtig, und sie konnte grausam sein. Nachdem ihr erster Ehemann dank Atticus’ Hilfe auf der Leiter des geschäftlichen Erfolgs Fuß fassen konnte, war er in dem Moment fortgelaufen, wo er ohne Atticus auskam, und hatte sie ihrem Bruder wieder auf die Türschwelle gesetzt. Der offizielle Scheidungsgrund lautete Unfruchtbarkeit, aber ganz Rom vermutete (zu Recht), daß der eigentliche Grund seine Unlust war, weiter mit ihr zusammenzuleben. Cicero hatte den Vorschlag gemacht, daß man Bruder Quintus dazu überreden solle, sie zur Frau zu nehmen, und er hatte sich mit Atticus die Überzeugungsarbeit geteilt. Die Ehe war vor dreizehn Jahren geschlossen worden; der Bräutigam war beträchtlich jünger als die Braut gewesen. Zehn Jahre nach der Hochzeit hatte Pomponia die Gerüchte von ihrer Unfruchtbarkeit Lügen gestraft und einen Sohn zur Welt gebracht, der ebenfalls Quintus genannt wurde.
Sie stritten sich ständig, und den armen Jungen benutzten sie bereits als Munition in ihrem endlosen Krieg um die Vorherrschaft; das unglückselige Kind wurde von einer Seite zur anderen gezerrt. Das bekümmerte Atticus (schließlich war dieser einzige Sohn seiner Schwester sein Erbe), und es bekümmerte auch Cicero, aber keinem von beiden gelang es, die Kontrahenten davon zu überzeugen, daß der kleine Quintus der eigentliche Leidtragende war. Wäre Bruder Quintus wenigstens so klug wie Cicero gewesen und hätte sich als Fußabtreter benutzen lassen, hätte er alles versucht, um seine Frau zu beschwichtigen und so selten wie möglich ihren Unwillen zu erregen — vielleicht hätte die Ehe dann besser funktioniert als die von Cicero und Terentia, denn Pomponia ging es ja nur um die Überlegenheit, während Terentia auch politisch das letzte Wort haben wollte. Aber leider schlug Quintus viel mehr seinem Vater nach als Cicero; er wollte um jeden Preis Herr im eigenen Haus sein.
Der Ehekrieg war eben in vollem Gange, als Cicero, Terentia, Tullia und der zweijährige Marcus das Haus betraten. Der Verwalter mußte Tullia und Marcus in das Kinderzimmer führen, denn Pomponia war zu sehr damit beschäftigt, Quintus anzubrüllen, und Quintus war voll und ganz davon in Anspruch genommen, ihr Gebrüll zu erwidern.
»Nur gut«, rief Cicero mit seiner lautesten Forumsstimme, »daß der Tempel des Tellus gleich nebenan ist! Sonst würden sich noch mehr Nachbarn beschweren.«
Aber das machte keinerlei Eindruck auf sie. Sie brüllten weiter, als wären die Neuankömmlinge Luft, bis auch Atticus eintraf. Seine Methode, einen Waffenstillstand zu erzwingen, war ebenso einfach wie wirksam: Er ging einfach auf seine Schwester zu, packte sie bei den Schultern und schüttelte sie, bis ihre Zähne klapperten.
»Verschwinde, Pomponia!« fauchte er. »Los, nimm Terentia mit, dann kannst du ihr die Ohren vollheulen!«
»Ich versuch’s auch immer mit Schütteln«, sagte Bruder Quintus kleinlaut, »aber es funktioniert nicht. Sie rammt mir höchstens das Knie in die... na, ihr wißt schon.«
»Wenn sie das mit mir machen würde«, sagte Atticus entrüstet, »würde ich sie umbringen!«
»Und wenn ich sie umbringen würde, würdest du mich wegen Mordes vor Gericht stellen lassen.«
»Stimmt«, sagte Atticus grinsend. »Armer Quintus! Ich werde mit ihr reden. Wir wollen einmal sehen, was sich machen läßt.«
Cicero beteiligte sich nicht an diesem Wortwechsel, denn er hatte sich bereits vor Atticus’ Ankunft zurückgezogen, und jetzt kam er aus dem Arbeitszimmer zurück und hielt eine geöffnete Schriftrolle in den Händen.
»Schreibst du wieder etwas, Bruder?« fragte er und blickte auf.
»Eine Tragödie im Stil von Sophokles«, antwortete Quintus.
»Du machst dich gar nicht so schlecht.«
»Das will ich hoffen! Für Reden und Poesie heimst du ja alle Lorbeeren ein, da bleiben mir nur noch Geschichte, Komödie und Tragödie. Für historische Studien fehlt mir die Zeit, und die Tragödie fällt mir leichter als die Komödie. Muß an der Atmosphäre liegen, in der ich hier lebe.«
»Aber die schreit doch geradezu nach Komödie«,
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