MoR 04 - Caesars Frauen
beiden Kinder, Quinctilia und Junia, die Caesar ganz unverhohlen verehrten. Er neckte sie, lachte und scherzte mit ihnen, vergaß in ihrer Gegenwart die Würde seines Amtes und schien eine Menge davon zu verstehen, was in den Köpfen kleiner Mädchen vor sich ging. Selbst die beiden Pessimistinnen unter ihnen, Popillia und Arruntia, waren jetzt zuversichtlich, daß es mit einem Gaius Julius Caesar in der anderen Hälfte des Domus Publica keine Gerichtsverfahren wegen Unkeuschheit mehr geben würde.
Erstaunlich, dachte Terentia, während das Mahl seinen fröhlichen Verlauf nahm, daß ein Mann mit einem solch verheerenden Ruf als Lüstling diese Brut von labilen Frauen mit so fester Hand führen kann. Er war zugänglich, sogar liebevoll, aber er machte ihnen absolut keine Hoffnungen. Kein Zweifel, sie alle würden bis an das Ende ihrer Tage in ihn verliebt sein, aber nicht auf schmerzliche Weise. Nicht ein Fünkchen Hoffnung machte er ihnen. Es war interessant, daß bis jetzt nicht einmal Bibulus ein Gerücht über Caesar und seinen Stall vestalischer Jungfrauen in die Welt gesetzt hatte. Seit über hundert Jahren war kein Pontifex Maximus mehr im Amt gewesen, der seine Aufgabe so korrekt und hingebungsvoll versehen hatte; er war noch nicht einmal ein Jahr in seiner neuen Stellung, doch in dieser kurzen Zeit hatte er sich einen makellosen Ruf erworben, selbst was Roms kostbarsten Besitz — die geheiligten Jungfrauen — betraf.
Terentias ganze Loyalität gehörte natürlich Cicero, und niemand hatte während der Catilina-Affäre mehr mit ihm gelitten als sie. Seit dem fünften Dezember hatte sie jede Nacht wach gelegen und seinen Alpträumen zugehört; immer wieder hatte er Caesars Namen gemurmelt, und nicht ein einziges Mal ohne Zorn oder Schmerz. Caesar hatte Ciceros Triumph zerstört, Caesar hatte den schwelenden Zorn in der Volksversammlung angefacht. Metellus Nepos war ein Wurm, dem Caesar zu Giftzähnen verholfen hatte. Doch nun vermittelte Fabia ihr ein anderes Bild dieses Gaius Julius Caesar, und Terentia war eine viel zu vernünftige Frau, um nicht zu erkennen, daß auch dieses Bild der Wirklichkeit entsprach. Gewiß, Cicero war ein ehrlicherer, wertvollerer Mensch. Er war leidenschaftlich und aufrichtig; alles, was er tat, packte er mit grenzenloser Begeisterung und unerschöpflicher Tatkraft an, und niemand konnte ihm seine Redlichkeit absprechen. Trotzdem mußte Terentia sich mit einem leisen Stoßseufzer eingestehen, daß nicht einmal ein großer Geist wie Cicero diesem Caesar ewas vormachen konnte. Erstaunlich, daß diese alten Familien noch immer dazu in der Lage waren, einen Sulla oder einen Caesar hervorzubringen! Die Kraft dazu hätten sie schon vor Jahrhunderten verloren haben müssen.
Terentia erwachte aus ihren Gedankenspielereien, als Caesar die beiden Mädchen ins Bett schickte.
»Morgen ist kein Feiertag, da müßt ihr mit den Hühnern aufstehen.« Er nickte Eutychus zu. »Bring die Damen sicher nach drüben, und weck die Diener auf, damit sie die beiden an der Tür des Atrium Vestae in Empfang nehmen können.«
Und so gingen sie davon, die geschmeidige Junia ein paar Schritte vor der plumpen Quinctilia. Aurelia sah ihnen mit stiller Sorge nach: Das Kind sollte auf Diät gesetzt werden! Aber als sie vor ein paar Monaten entsprechende Anordnungen geben wollte, war Caesar zornig geworden und hatte es ihr verboten.
»Laß sie in Ruhe, Mater. Du bist nicht Quinctilia und Quinctilia ist nicht du. Wenn das arme kleine Ding essen will, dann laß sie essen. Sie ist glücklich! Es warten keine Ehemänner auf sie, und ich möchte, daß sie auch weiterhin mit ganzem Herzen Vestalin ist.«
»Sie wird an Überfettung sterben!«
»Dann laß sie. Es wird nur besser, wenn Quinctilia selber beschließt, weniger zu essen.«
Was konnte man gegen solch einen Mann ausrichten? Aurelia hatte den Mund gehalten und nachgegeben.
»Ich nehme an, du wirst dich für Minucia als Nachfolgerin Licinias entscheiden«, stellte sie jetzt mit leichter Schärfe in der Stimme fest. Er hob die blonden Augenbrauen. »Was bringt dich zu dieser Auffassung?«
»Du scheinst eine Schwäche für dicke Kinder zu haben.«
Sie verfehlte die beabsichtigte Wirkung. Caesar lachte. »Ich habe eine Schwäche für alle Kinder, Mater. Für kleine, große, dicke, dünne — das ist mir ganz egal. Aber wo du das Thema nun einmal angesprochen hast — es freut mich, euch mitteilen zu können, daß die Krise der Vestalinnen vorüber zu sein
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