MoR 04 - Caesars Frauen
Cicero, als er die Stufen der Rostra hinunterstieg und mit ausgestreckten Armen auf Atticus zuging. Im nächsten Augenblick hatten sie ihn auf ihre Schultern gehoben und sein Haupt mit einem Lorbeerkranz gekrönt. Die Menge trug ihn hinüber zur Treppe der Ringmacher. Schade nur, daß Caesar ihn nicht sah. Aber Caesar konnte — wie all die anderen neuen Magistrate — nicht teilnehmen. Morgen war sein großer Tag, morgen würden die neuen Magistrate im Tempel des Jupiter Maximus Optimus vereidigt und eine Amtszeit antreten, die — so fürchtete Cicero — zumindest in Caesars Fall zu einem verhängnisvollen Jahr für die boni werden könnte.
Der nächste Tag sollte diese düstere Vorahnung bestätigen. Kaum war die Vereidigungszeremonie vorüber und der Kalender festgelegt, da verließ der neue Stadtprätor Gaius Julius Caesar die erste Versammlung des Senats und eilte hinüber zum Komitium, um die Volksversammlung zusammenzurufen. Ganz offensichtlich war bereits alles vorbereitet gewesen; es warteten ausschließlich Männer aus dem Lager der Popularen auf ihn, von den jungen Männern bis hin zu seinen Senatsanhängern und dem unvermeidlichen Troß von Männern, die nur ein wenig über der untersten Klasse standen: Juden mit Bürgerrecht, die es Caesars Geschick zu verdanken hatten, daß sie einem ländlichen Tribus angehörten, Freigelassene, eine große Zahl von Handwerkern und Händlern, die ebenfalls in ländliche Tribus gesteckt worden waren, und im Hintergrund die dazugehörigen Frauen.
Caesar bediente sich nicht seiner natürlichen, tiefen Stimme, sondern des klaren, hellen Tenors, mit dem er auch die hintersten Reihen der Menge erreichte. »Volk von Rom, ich habe euch heute hier zusammengerufen, um euch zu Zeugen meiner Empörung zu machen, meines Protestes gegen eine Beleidigung Roms von so ungeheuren Ausmaßen, daß selbst die Götter darüber weinen! Vor über zwanzig Jahren ist der Tempel des Jupiter Optimus Maximus abgebrannt. In meiner Jugend war ich Hamen Dialis, der Priester des Jupiter Optimus Maximus, und heute, in meinem besten Mannesalter, ist mein Leben als Pontifex Maximus erneut dem Großen Gott gewidmet. Heute mußte ich meinen Amtseid in seiner neuen Unterkunft ablegen, einem Gebäude, mit dessen Errichtung Lucius Cornelius Sulla Felix vor achtzehn Jahren Quintus Lutatius Catulus beauftragte. Und ich habe mich geschämt, Volk von Rom! Geschämt! Demütig habe ich den Kopf vor dem Großen Gott gesenkt, um unter dem Schutz der toga praetexta zu weinen. Ich habe es nicht gewagt, zu dem wunderbaren neuen Standbild des Großen Gottes aufzusehen, das mein Onkel Lucius Aurelius Cotta und sein Kollege im Konsulat, Lucius Manlius Torquatus, in Auftrag gegeben und bis aufdie letzte Sesterze bezahlt haben! Ja, vor nicht allzulanger Zeit gab es dort noch nicht einmal ein Bildnis des Großen Gottes!«
Caesar, der auch mitten in der größten Menschenmenge aufzufallen wußte, schien in seiner neuen Rolle als Stadtprätor noch an Statur und Stattlichkeit gewonnen zu haben; er strahlte pure Lebenskraft aus, schlug seine Zuhörer in ihren Bann, beherrschte und begeisterte sie.
»Wie ist so etwas möglich?« fragte er die Menge. »Warum wird der führende Geist Roms so vernachlässigt, beleidigt, gedemütigt? Warum fehlen an den Wänden die größten Kunstwerke, die unsere Zeit zu bieten hat? Warum stehen dort nicht die märchenhaften Gaben fremder Könige und Prinzen? Warum existieren Minerva und Juno darin nur als Luft, als Leere, als Nichts? Kein Standbild von ihnen, nicht einmal eines aus billigstem Ton! Wo sind die verzierten Säulen? Wo sind die goldenen Wagen? Wo sind die herrlichen Formen, die prächtigen Fußböden?«
Er schwieg, holte tief Luft und sah jetzt aus wie der Donner in Person. »Ich will es euch sagen, Quiritesl Das Geld dafür steckt in Catulus’ Geldbeutel! Die Millionen von Sesterzen, die das römische Schatzamt Quintus Lutatius Catulus zur Verfügung gestellt hat, haben sein persönliches Bankkonto niemals verlassen! Ich bin im Schatzamt gewesen und wollte mir die Unterlagen zeigen lassen, aber es gab keine. Jedenfalls keine, die den Verbleib der riesigen Summen belegen würden, die Catulus im Lauf der Jahre ausgezahlt wurden. Frevel! Darauf läuft es hinaus! Der Mann, den man damit betraute, das Haus des Jupiter Optimus Maximus in größerer Schönheit und Pracht als je zuvor wiedererstehen zu lassen, hat sich mit den öffentlichen Geldern aus dem Staub gemacht!«
Die
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