MoR 04 - Caesars Frauen
nächsten Morgen zum Ende des Vicus Patricii begleiteten, auch nicht den geringsten Versuch, sich anzusehen, was sich hinter den Mauern des Hauses verbarg, und nicht im Traum wäre es ihnen eingefallen, hinter ihr die Treppen hinaufzuschleichen, um an Türen zu lauschen oder durch Schlüssellöcher zu spähen. Ein Verhältnis mit einem anderen Mann vermuteten sie ohnehin nicht; Servilia war viel zu bekannt, um in dieser Hinsicht verdächtig zu sein. Sie galt als hochnäsig, und alle Welt, von ihresgleichen bis hin zu Bediensteten, ging davon aus, daß ihr nur Jupiter Optimus Maximus das Wasser reichen könnte.
Nun, vielleicht stimmte das, aber auch eine Liaison mit Gaius Julius Caesar erschien ihr durchaus reizvoll, als sie nun allein die Treppen hinaufstieg, und sie hielt es für ein gutes Omen, daß dieser übelriechende kleine Kerl sie heute nicht in Empfang nahm. Die Überzeugung, daß bei ihrem Gespräch mit Caesar mehr herausspringen könnte als das Versprechen seiner Tochter, war ihr erst gekommen, als er sie gestern zur Tür brachte und sie eine Veränderung an ihm spürte, die Hoffnungen, ja sogar ein wenig Vorfreude in ihr geweckt hatte. Natürlich wußte auch sie, was ganz Rom wußte: daß er von seinen Frauen geradezu peinliche Sauberkeit verlangte. Also hatte sie sich gründlich gebadet und ein dezentes Parfüm gewählt, das natürliche Gerüche keinesfalls zudeckte; zum Glück schwitzte sie wenig und wechselte täglich die Kleider. Gestern hatte sie ein zinnoberrotes Kleid getragen; heute hatte sie sich für eine kräftige Bernsteinfarbe entschieden, dazu trug sie Anhänger aus Bernstein an den Ohren und eine Bernsteinkette um den Hals. Ich habe mich herausgeputzt wie eine Verführerin, dachte sie, als sie an die Tür klopfte.
Er öffnete ihr selbst, bot ihr einen Sessel an und nahm hinter seinem Schreibtisch Platz, wie er es gestern getan hatte. Aber er sah sie nicht so an wie gestern; sein Blick kam ihr heute weniger unbeteiligt und kühl vor. Sie las etwas darin, das sie in den Augen eines Mannes noch nie entdeckt hatte, ein vertrauliches, beinahe besitzergreifendes Leuchten, und weder machte sie es wütend, noch tat sie ihn deswegen als primitiven Lüstling ab. Denn nichts sagte ihr, daß dieser Blick sie ehrte, sie von ihren Geschlechtsgenossinnen abhob.
»Wie hast du dich entschieden, Gaius Julius?« fragte sie.
»Ich akzeptiere das Angebot des jungen Brutus.«
Das freute sie; zum erstenmal, seit er sie kannte, lächelte sie über das ganze Gesicht und offenbarte dabei, daß ihr rechter Mundwinkel unbeweglicher war als ihr linker. »Gut!« seufzte sie erleichtert und setzte wieder ein kleines, bescheidenes Lächeln auf.
»Dein Sohn bedeutet dir sehr viel.«
»Er bedeutet mir alles«, antwortete sie schlicht.
Vor ihm auf dem Tisch lag ein Blatt Papier; er warf einen Blick darauf. »Ich habe einen rechtsgültigen Vertrag über die Verlobung deines Sohnes mit meiner Tochter aufgesetzt«, sagte er, »aber wenn es dir lieber ist, können wir mit den Formalitäten noch warten, bis Brutus noch weiter zum Mann gereift ist. Vielleicht ändert er seine Meinung.«
»Er wird sie nicht ändern, und ich meine auch nicht«, antwortete Servilia. »Laß uns die Angelegenheiten hier und jetzt besiegeln.«
»Wenn du willst. Aber ich muß dich darauf aufmerksam machen, daß ein unterzeichnetes Abkommen beide Parteien und die Vormünder juristisch dazu verpflichtet, im Falle eines Bruches einen Ersatz in Höhe der vereinbarten Mitgift zu leisten.«
»Wie hoch ist Julias Mitgift?«
»Ich habe sie auf hundert Talente festgesetzt.«
Es verschlug ihr den Atem. »Du kannst ihr unmöglich hundert Talente mitgeben, Caesar!«
»Im Augenblick nicht. Aber bis Julia heiratsfähig ist, bin ich längst Konsul. Ich habe keineswegs die Absicht, sie vor ihrem achtzehnten Geburtstag heiraten zu lassen. Und bis dahin kann ich die hundert Talente für ihre Mitgift aufbringen.«
»Ich bin davon überzeugt«, sagte Servilia langsam. »Das bedeutet aber auch, daß mein Sohn, sollte er seine Meinung ändern, um hundert Talente ärmer ist.«
»Doch nicht mehr ganz überzeugt von seiner Standhaftigkeit?« fragte Caesar lächelnd.
»Absolut überzeugt«, sagte sie. »Laß uns das Geschäft abschließen.«
»Bist du bevollmächtigt, für Brutus zu entscheiden, Servilia? Ich kann mich erinnern, daß du gestern Silanus als pater familias des Jungen bezeichnet hast.«
Sie befeuchtete sich die Lippen. »Ich bin Brutus’
Weitere Kostenlose Bücher