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MoR 04 - Caesars Frauen

Titel: MoR 04 - Caesars Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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antworten«, erwiderte die kleine Amsel.
    »Möchtest du gern zu deiner Urgroßmutter zurückgeschickt werden?«
    »Das kannst du nicht tun. Ich bin jetzt eine Vestalin.«
    »Und ob ich das kann, und ich werde es auch tun, wenn du mir nicht antwortest.«
    Sie war nicht im mindesten eingeschüchtert, statt dessen dachte sie sorgfältig über das nach, was er gesagt hatte. »Ich kann aus dem Orden nur dann verstoßen werden, wenn man mich vor einem Gericht anklagt und verurteilt.«
    »Eine kleine Advokatin! Aber du irrst dich, Cornelia. Das Gesetz ist klug, deshalb trifft es Vorsorge für den Fall, daß sich eine kleine Amsel in einen Käfig mit schneeweißen Pfauhennen verirrt. Ich kann dich nach Hause schicken.« Caesar beugte sich vor, sein Blick war eisig. »Fordere meine Langmut nicht heraus, Cornelia! Glaube mir einfach. Deine Urgroßmutter wäre nicht erfreut, wenn du für ungeeignet erklärt und in Ungnade nach Hause entlassen würdest.«
    »Ich glaube dir nicht«, erklärte Cornelia starrköpfig.
    Caesar erhob sich. »Du wirst mir schon glauben, wenn ich dich jetzt auf der Stelle nach Hause schicke!« Er wandte sich an Fabia, die fasziniert zugehört hatte. »Fabia, pack ihre Sachen zusammen und laß sie abtransportieren.«
    Hier zeigte sich der Unterschied zwischen sieben und siebenundzwanzig Jahren: Cornelia Merula gab nach. »Ich beantworte deine Fragen, Pontifex Maximus«, sagte sie heroisch. Tränen glitzerten in ihren Augen, ohne herunterzukullern.
    Caesar hätte sie am liebsten in die Arme genommen und mit Küssen überschüttet, aber das hätte er auf keinen Fall tun dürfen, nicht einmal, wenn es nicht so wichtig gewesen wäre, dieses Mädchen, wenn schon nicht zu zähmen, so doch wenigstens fügsamer zu machen. Sieben oder siebenundzwanzig, sie war eine vestalische Jungfrau und durfte nicht mit Küssen überschüttet werden.
    »Du hast behauptet, ich sei unter Vorspiegelung falscher Tatsachen hier, Cornelia. Was hast du damit gemeint?«
    »Das hat Urgroßmutter gesagt.«
    »Und alles, was Urgroßmutter sagt, ist wahr?«
    Erschrocken riß sie die grauen Augen auf. »Aber natürlich!«
    »Hat deine Urgroßmutter dir auch erklärt, warum ich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen hier bin, oder war es einfach nur so dahingesagt?« fragte er mit fester Stimme.
    »Sie hat es einfach so gesagt.«
    »Ich bin nicht unter Vorspiegelung falscher Tatsachen hier, ich bin der rechtmäßig gewählte Pontifex Maximus.«
    »Du bist der Hamen Dialis«, murmelte Cornelia.
    »Ich war der flamen Dialis, aber das ist schon sehr lange her. Man hatte mich bestimmt, den Platz deines Großvaters einzunehmen. Aber dann waren Unregelmäßigkeiten bei den Inaugurationszeremonien entdeckt worden, und die Priester und Auguren beschlossen, daß ich nicht als flamen Dialis weitermachen durfte.«
    »Du bist noch immer der Hamen Dialis!«
    »Domine«, sagte er freundlich. »Ich bin dein Herr, kleine Amsel, also mußt du höflich sein und mich domine nennen.«
    »Domine, meinetwegen.«
    »Ich bin nicht mehr der Hamen Dialis.«
    »Bist du doch, Domine!«
    »Warum?«
    »Weil«, rief Cornelia Merula triumphierend aus, »weil es keinen Hamen Dialis mehr gibt!«
    »Das ist auch eine Entscheidung der priesterlichen und augurischen Kollegen gewesen, kleine Amsel. Ich bin nicht mehr Hamen Dialis, aber bis zu meinem Tode soll auch kein anderer dazu bestimmt werden. Damit bei unserem Vertrag mit dem Großen Gott auch alles mit rechten Dingen zugeht.«
    »Oh.«
    »Komm her, Cornelia.«
    Widerwillig ging sie um den Schreibtisch herum und blieb einen halben Meter vor seinem Sessel stehen.
    »Streck die Hände aus.«
    Sie zuckte zusammen, wurde blaß; Caesar verstand die Urgroßmutter um einiges besser, als Cornelia Merula die Hände wie ein Kind ausstreckte, das Strafe erwartet.
    Er ergriff ihre Hände und drückte sie sanft. »Du mußt lernen, daß deine Urgroßmutter jetzt nicht mehr die mächtigste Frau in deinem Leben ist, kleine Amsel. Du bist in den Orden der vestalischen Jungfrauen eingetreten. Du bist aus den Händen deiner Urgroßmutter in meine Hände gegeben worden. Fühle sie, Cornelia. Fühle meine Hände.«
    Schüchtern und sehr ängstlich kam sie der Aufforderung nach. Wie traurig, dachte er, daß sie bis zu ihrem achten Lebensjahr von keinem pater familias zärtlich in die Arme genomen und geküßt worden ist; und ihrem neuen pater familias ist es durch ein heiliges Gesetz verboten, sie in die Arme zu nehmen und zu küssen, obwohl

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