MoR 04 - Caesars Frauen
sie noch ein Kind ist. Rom konnte eine grausame Geliebte sein.
»Sie sind stark, findest du nicht?«
»Ja«, flüsterte sie.
»Und viel größer als deine.«
»Ja.«
»Spürst du, daß sie zittern oder schwitzen?«
»Nein, domine.«
»Das muß dir genügen. Dein Schicksal liegt jetzt in meinen Händen. Ich bin von nun an dein Vater. Und ich werde als dein Vater für dich sorgen, wie der Große Gott und Vesta es von mir verlangen. Aber vor allem werde ich um deiner selbst willen für dich sorgen, weil du ein kleines Mädchen bist. Hier wirst du nicht verprügelt, noch bekommst du Ohrfeigen, du wirst nicht in dunkle Schränke gesperrt oder ohne Abendessen zu Bert geschickt. Das soll nicht heißen, daß es im Atrium Vestae keine Strafen gibt, aber hier wird über die Strafen nachgedacht und darauf geachtet, daß sie den Vergehen entsprechen: Wenn du etwas kaputtmachst, mußt du es wieder reparieren. Wenn du etwas schmutzig machst, mußt du es säubern. Aber für ein Vergehen gibt es keine andere Strafe als die unehrenhafte Entlassung: wenn du dir ein Urteil über deine Vorgesetzten erlaubst. Es steht dir nicht an, darüber zu bestimmen, was hier im Orden getrunken wird, wo die Getränke besorgt werden und von welcher Seite man aus dem Becher schlürft. Es steht dir nicht an, darüber zu bestimmen, was vestalischer Brauch, vestalische Tradition ist. Das mos maiorum ist keine statische Sache, es hat sich seit den Zeiten der Könige verändert. Wie alles auf der Welt muß es sich wandeln, um sich an die Zeiten anzupassen. Also, keine Kritik mehr, keine Urteile über andere. Hast du verstanden?«
»Ja, domine.«
Er ließ ihre Hände los. Er war dabei nicht näher als auf einen halben Meter an sie herangekommen. »Du darfst jetzt gehen, Cornelia, aber warte draußen. Ich möchte mit Fabia sprechen.«
»Danke, Pontifex Maximus«, seufzte Fabia erleichert.
»Du sollst mir nicht danken, Vorsteherin, du sollst dich bemühen, besonnen mit diesen Höhen und Tiefen umzugehen«, sagte Caesar. »Ich denke, ich sollte mich in Zukunft aktiver um die Ausbildung der drei jungen Mädchen kümmern. Einmal in der Woche Unterricht, von der Stunde nach Sonnenaufgang bis zum Mittag. Sagen wir... am dritten Tag nach dem nundinus.«
Jetzt war das Verhör endgültig beendet; Fabia stand auf, verneigte sich und ging hinaus.
»Armes kleines Ding!«
»Zu viele Prügel.«
»Was muß diese Urgroßmutter für ein Schreckgespenst sein!«
»Manche Menschen werden einfach zu alt, Caesar. Ich gehöre hoffentlich nicht dazu.«
»Wichtiger ist, Cato aus ihrem Kopf zu verbannen.«
»Nun, ich glaube, das wird dir gelingen. Erst recht, wenn du sie unterrichtest. Eine ausgezeichnete Idee. Weder Fabia noch Arruntia oder Popilla besitzen einen Funken gesunden Menschenverstand. Und ich darf mich nicht zu sehr einmischen. Ich bin eine Frau und nicht der pater familias.«
»Seltsam, Mater, ich war noch für kein einziges männliches Wesen der pater familias.«
Aurelia erhob sich lächelnd. »Darüber bin ich sehr froh, mein Sohn. Denk nur an den jungen Marius. Die Frauen in deinem Leben sind dankbar für deine Stärke und Autorität. Wenn du einen Sohn hättest, müßte er in deinem Schatten verkümmern. Wahre Größe überspringt in den meisten Familien nicht nur eine, sondern mehrere Generationen, Caesar. Du würdest ihn mit dir vergleichen, und er würde daran verzweifeln.«
Der Clodius-Club hatte sich in dem schönen, großen Haus versammelt, das Clodius mit Fulvias Geld gekauft hatte, und das gleich neben seiner einträglichsten Investition stand, einem teuren Mietshaus mit Luxuswohnungen. Alle wirklich wichtigen Mitglieder waren anwesend: die beiden Clodias, Fulvia, Pompeia Sulla, Sempronia Tuditani, Palla, Decimus Brutus (Sempronia Tuditanis Sohn), Curio, der junge Poplicola (Pallas Sohn), Clodius und ein übellauniger Marcus Antonius. »Ich wünschte, ich wäre Cicero«, sagte er düster, »dann hätte ich es nicht nötig, zu heiraten.«
»Das erscheint mir unlogisch, Antonius«, erwiderte Curio lächelnd. »Cicero ist verheiratet, und obendrein mit einer ziemlichen Beißzange.«
»Ja, aber die Leute sind so fest davon überzeugt, daß er sie vor Gericht freibekommt, daß sie sogar bereit sind, ihm fünf Millionen zu leihen«, insistierte Antonius. »Wenn ich die Leute vor Gericht freibekommen würde, müßte ich nicht heiraten, um an meine fünf Millionen zu kommen.«
»Oho!« sagte Clodius und hob den Kopf. »Wer ist denn die
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