MoR 04 - Caesars Frauen
Gestalt es ihm erlaubte. »Ich danke dir, Erster Konsul. Geschätzte Kollegen des römischen Senats, ich möchte euch eine Geschichte erzählen, die meinen guten Freund, den Ritter Publius Servilius, betrifft. Er gehört zwar nicht zu dem patrizischen Zweig dieser berühmten Familie, hat jedoch gemeinsame Vorfahren mit dem vornehmen Publius Servilius Vatia Isauricus. Nun, Publius Servilius wird vom Zensus auf vierhunderttausend Sesterzen geschätzt, doch bezieht er sein Einkommen ausschließlich aus einem ziemlich kleinen Weinberg auf dem Ager Falernus. Ein Weinberg, versammelte Väter, der so berühmt ist für die Qualität des Weines, den er hervorbringt, daß Publius Servilius diesen jahrelang einkellert, ehe er ihn zu einem märchenhaften Preis an Interessenten aus der ganzen Welt verkauft. Angeblich haben ihn sowohl König Tigranes als auch König Mithridates schon gekauft, während König Phraates von Parthien ständiger Abnehmer sein soll. Vielleicht kann sich selbst König Tigranes den Wein auch jetzt noch leisten, da sich Gnaeus Pompeius — irrtümlich genannt der Große! — ja dazu ermächtig hat, die königliche Hoheit von ihren >Missetaten< freizusprechen und ihr den Großteil ihrer Einkünfte zu überlassen.«
Bibulus machte eine Pause, um sich umzublicken. Die Senatoren hörten aufmerksam zu, und niemand in den hinteren Reihen schien vor sich hinzudämmern. Catullus hatte recht—man brauchte ihnen nur eine Geschichte zu erzählen, und alle blieben wach, um wie die Kinder ihrer Amme zu lauschen. Caesar saß wie üblich in der ihm eigenen Manier auf seinem Platz: aufrecht und mit jenem Ausdruck von beflissenem Interesse, der nicht verhehlen konnte, daß er tödlich gelangweilt, doch zu gut erzogen war, um es offen zu zeigen.
»Nun, da wäre also unser angesehener Ritter Publius Servilius, der einen einzigen kleinen, wenn auch sehr wertvollen Weinberg besitzt. Gestern noch in der Lage, sich für den Vierhunderttausend-Sesterzen-Zensus eines Ritters zu qualifizieren, und heute dagegen ein armer Mann. Wie ist so etwas möglich? Wie kann ein Mann aus heiterem Himmel um sein Vermögen kommen? Hatte Publius Servilius Schulden? Nein, keinen Sesterz. Ist er verstorben? Nein. Fand etwa ein Krieg in der Campania statt, von dem uns niemand etwas sagte? Nein, ganz und gar nicht. Vielleicht ein Feuer? Mitnichten. Ein Sklavenaufstand? Ebensowenig. Traf einen unachtsamen Weinbauern die Schuld? Nein, nein, nein!«
Jetzt hatte er sie, mit Ausnahme von Caesar, in seinem Bann. Bibulus stellte sich auf die Zehenspitzen und erhob seine Stimme.
»Ich kann euch sagen, wie mein Freund Publius Servilius um seine einzige Erwerbsquelle gekommen ist, liebe Kollegen! Die Antwort verbirgt sich hinter einer großen Viehherde, die von Lucania nach — wie war doch gleich der Name dieses unsäglichen Ortes an der adriatischen Küste am Ende der Via Flaminia? Licenum? Ficenum? Pic... Pic... Gleich hab’ ich’s, wartet nur — Picenum! Ja, das ist es, Picenum! Das Vieh wurde von dem einen riesigen Besitz, den Gnaeus Pompeius — irrtümlich genannt der Große — von den Lucilii geerbt hat, zu dem anderen, sogar noch größeren Besitz getrieben, den er von seinem Vater, dem Schlächter, erbte. Nun sind ja Rinder wirklich nutzlose Kreaturen, es sei denn, einer ist im Rüstungsgeschäft tätig oder stellt Schuhe oder Lederbehälter für Bücher her. Niemand würde sie je essen! Niemand trinkt ihre Milch oder macht Käse daraus, obwohl ich glaube, daß die nördlichen Barbaren aus Gallien und Germanien etwas daraus herstellen, das sie Butter nennen und sowohl großzügig auf ihr grobes dunkles Brot als auch auf ihre quietschenden Wagenachsen schmieren. Nun, sie wissen es nicht besser, und sie leben in Ländern, die zu rauh und frostig sind, um unser wunderbares Olivenöl hervorzubringen. Doch auf unserer warmen und fruchtbaren Halbinsel gedeihen die Olive und der Wein, die beiden besten Geschenke, die die Götter den Menschen gegeben haben. Warum sollte es irgend jemand nötig haben, in Italia Vieh zu halten, geschweige denn, es von einem Weideland zum anderen zu treiben, wenn nicht ein Waffenkönig oder Flickschuster? Um welchen von beiden, glaubt ihr, handelt es sich bei Gnaeus Pompeius? Stellt er Waffen her oder Schuhe? Sollte er gar mit Waffen und mit Schuhen handeln? Vielleicht ist er ja Waffenkönig und Flickschuster!«
Wie faszinierend, dachte Caesar, immer noch mit dem gleichen Ausdruck beflissenen Interesses auf seinem
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