Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

MoR 04 - Caesars Frauen

Titel: MoR 04 - Caesars Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
Vom Netzwerk:
bekam Lust, sich die Hörner abzustoßen, und merkte, daß die Mädchen für ihn schwärmten; also hielt Clodius Ausschau nach Herausforderungen, die mit den Vorstellungen von seiner eigenen Besonderheit zusammenpaßten. Und so entwickelte sich eine Leidenschaft für Fabia — eine der vestalischen Jungfrauen. Die Leute rümpften die Nase, wenn ein Mann ein Auge auf eine Vestalin warf — genau das amouröse Abenteuer, das Clodius gesucht hatte. In der Keuschheit einer jeden Vestalin lag das Glück Roms; die meisten Männer hüteten sich schon vor dem Gedanken, eine der Jungfrauen zu verführen. Nicht so Publius Clodius.
    Niemand in Rom erwartete von den Vestalinnen, daß sie ein zurückgezogenes Leben führten. Sie durften auf Essenseinladungen gehen, vorausgesetzt der Pontifex Maximus und ihre Vorsteherin, die Vestalis Maxima, waren mit Veranstaltungsort und Begleitung einverstanden, und sie nahmen an allen priesterlichen Banketten teil, gleichberechtigt mit Priestern und Auguren. In den öffentlichen Bereichen des Domus Publica, des staatseigenen Hauses, das sie mit dem Pontifex Maximus teilten, durften sie Besuch von Männern empfangen, allerdings nur in Gegenwart einer Anstandsdame. Die Vestalinnen waren in der Regel auch nicht arm. Es war eine Ehre für eine Familie, eine Vestalin zu stellen, deshalb wurden viele Mädchen, die nicht gebraucht wurden, um eine familiäre Verbindung durch Heirat zu festigen, dem Staat als vestalische Jungfrau zur Verfügung überlassen. Die meisten kamen mit einer ausgezeichneten Mitgift, und die anderen wurden vom Staat damit ausgestattet.
    Fabia — auch sie war achtzehn Jahre alt — war ein schönes, sanftmütiges, fröhliches und nur ein ganz klein wenig dummes Mädchen. Das ideale Angriffsziel für Publius Clodius, der großes Vergnügen an Schelmenstücken fand, mit denen er die zornige Mißbilligung der Leute provozieren konnte. Die Verführung einer vestalischen Jungfrau wäre ein solches Schelmenstück! Clodius wollte ja gar nicht so weit gehen, Fabia tatsächlich zu entjungfern, denn das hätte ein juristisches Nachspiel haben können, in dessen Verlauf man ihm womöglich sein heißgeliebtes Fell über die Ohren gezogen hätte. Nein, eigentlich wollte er nur sehen, wie Fabia vor Liebe und Verlangen nach ihm dahinschmolz.
    Der Ärger begann, als er feststellen mußte, daß er einen Rivalen hatte: Lucius Sergius Catilina, ein stattlicher, dunkler, umwerfend gutaussehender, charmanter und gefährlicher Mann. Clodius hatte auch seine Reize, aber Catilina konnte er nicht das Wasser reichen; zum einen war er nicht so kräftig und hochgewachsen, zum anderen fehlte ihm die Ausstrahlung von Macht. Ja, Catilina war ein furchterregender Rivale. Um seine Person rankten sich viele, nie bestätigte Gerüchte von grandioser Ruchlosigkeit. Jeder wußte, daß er sein Vermögen während der Proskriptionen des Sulla gemacht hatte, und dabei hatte er nicht nur seinen Schwager angeprangert (der darauf hingerichtet wurde), sondern auch seinen Bruder (er wurde verbannt). Man sagt sogar, er habe seine damalige Frau ermordet, allerdings war er niemals wegen eines solchen Verbrechens belangt worden. Das schlimmste Gerücht aber besagt, er habe seinen eigenen Sohn umgebracht, weil seine jetzige Frau, die schöne und reiche Orestilla, sich geweigert habe, einen Mann zu heiraten, der bereits einen Sohn hatte. Jeder wußte, daß Catilinas Sohn gestorben war — und daß Catilina Orestilla geheiratet hatte. Aber hatte er den armen Jungen tatsächlich umgebracht? Das konnte niemand mit Sicherheit sagen. Doch eine fehlende Bestätigung hat noch keinem Gerücht den Wind aus den Segeln genommen.
    Hinter Catilinas’ und Clodius’ Bemühungen um Fabia standen wahrscheinlich sehr ähnliche Motive. Beide Männer liebten es, ihren Schabernack zu treiben, sich über Roms Prüderie lustig zu machen und Empörung herauszufordern. Aber einen Unterschied gab es eben doch zwischen den Avancen des vierunddreißigjährigen Mannes von Welt, Catilina, und des achtzehnjährigen Grünschnabels Clodius: Die des einen waren von Erfolg gekrönt, die des anderen nicht. Dabei hatte Catilina es gar nicht auf Fabias Jungfernhäutchen abgesehen; dieses hochheilige Stückchen Haut blieb unversehrt, und rein faktisch gesehen blieb Fabia Jungfrau. Aber das arme Mädchen hatte sich unsterblich in Catilina verliebt und ließ so ziemlich alles andere mit sich geschehen. Was war denn schon dabei, wenn er ihr ein paar Küsse gab, wenn

Weitere Kostenlose Bücher