MoR 04 - Caesars Frauen
Metella Balearica, eine Frau von erlesenem Adel, war bei seiner Geburt gestorben. Er war ihr sechstes Kind in nur sechs Jahren gewesen; drei Jungen und drei Mädchen hatte sie zur Welt gebracht. Die Wechselfälle des Krieges, in dem er immer zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war, hatten dafür gesorgt, daß Appius Claudius so gut wie nie zu Hause war; so war als Verantwortlicher für die Erziehung der Kinder nur der älteste Bruder Appius Claudius junior geblieben. Seine fünf Schutzbefohlenen waren allesamt ungestüme, eigenwillige Kinder, stets darauf aus, Verwüstungen anzurichten, aber der kleine Publius war der Schlimmste von allen. Hätte er eine feste Hand gehabt, dann wären Publius vielleicht ein paar von den Flausen ausgetrieben worden, die er in seiner Kindheit entwickelte, aber da seine fünf Geschwister ihn schrecklich verhätschelten, war er schon sehr früh in seinem Leben davon überzeugt gewesen, außergewöhnlich zu sein.
Ungefähr zur gleichen Zeit, als sein Vater in Makedonien starb, teilte er seinem großen Bruder Appius mit, daß er seinen Namen in Zukunft auf die populäre Weise, Clodius, schreiben und auf den Familiennamen Pulcher verzichten werde. Pulcher bedeutete »schön«, und es stimmte, daß die meisten Claudii Pulchri stattliche, gutaussehende Menschen waren; der ursprüngliche Besitzer des Beinamens hatte ihn jedoch erhalten, weil er einen ausgesprochen unschönen Charakter hatte. »Das ist ja ein schönes Früchtchen!« hatten die Leute von ihm gesagt, und das Pulcher war geblieben.
Natürlich war es Publius Clodius gestattet worden, die Schreibweise seines Namens zu popularisieren; der Präzedenzfall war bereits durch seine drei Schwestern geschaffen, von denen sich die älteste Claudia, die mittlere Clodia und die jüngste Clodilla nannte. Der große Bruder Appius liebte seine Geschwister so abgöttisch, daß er ihnen alles gewährte, um das sie ihn baten. Wenn der heranwachsende Publius wegen seiner nächtlichen Alpträume lieber bei Clodia und Clodilla schlafen wollte — warum nicht? Die armen kleinen Würmer, ohne Mutter und ohne Vater! Der große Bruder Appius hatte Mitleid mit ihnen. Eine Tatsache, der sich der kleinste Bruder Publius Clodius durchaus bewußt war, und die er bedenkenlos zu nutzen wußte.
Ungefähr zu dem Zeitpunkt, wo Publius Clodius seine toga virilis angezogen hatte und offiziell zum Mann geworden war, hatte der große Bruder Appius das dahingeschwundene Familienvermögen auf kluge Weise wieder beträchtlich vermehrt, indem er die Jungfer Servilia Gnaea geheiratet hatte; sie hatte sich auch noch um sechs andere aristokratische Waisen gekümmert, die Kinder aus den Familien Servilius Caepio, Livius Drusus und Porcius Cato. Ihre Mitgift war so gewaltig wie ihr auffälliger Mangel an Schönheit. Aber ihre Sorge um Waisenkinder hatte sie und Appius zusammengebracht, und sie gefiel dem sentimentalen großen Bruder so sehr, daß er sich prompt in seine zweiunddreißig Jahre alte Braut verliebte (er war einundzwanzig), sich mit ihr in einem Leben von einfältiger Zufriedenheit einrichtete, im jährlichen Rhythmus Nachkommen in die Welt setzte und auch auf diese Weise einer Tradition der Claudii gerecht wurde.
Der große Bruder hatte es auch geschafft, seine drei Schwestern trotz der dürftigen Mitgift außergewöhnlich gut zu verheiraten: Claudia ehelichte Marcius Rex, der bald Konsul werden würde; Clodia heiratete ihren Vetter Quintus Caecilius Metellus Celer (gleichzeitig der Halbbruder von Pompeius’ Frau Mucia Tertia) und Clodilla tat sich mit dem großen Lucullus zusammen, der genau dreimal so alt war wie sie. Drei ungeheuer reiche und angesehene Männer, zwei von ihnen bereits alt genug, um ihre familiäre Machtstellung gefestigt zu haben, etwas, was Celer gar nicht nötig hatte, denn er war der älteste Enkelsohn von Metellus Balearicus und gleichzeitig der Enkel des angesehenen Crassus Orator. Und das alles geriet dem jungen Publius Clodius zum Vorteil: Da Rex es auch nach mehreren Ehejahren noch nicht gelungen war, Claudia einen Sohn zu zeugen, rechnete Publius Clodius zuversichtlich damit, der Erbe von Quintus Marcius Rex zu werden.
Im Alter von sechzehn Jahren absolvierte Publius Clodius sein tirocinium fori, die Lehrzeit als Advokat der Rechte und angehender Politiker auf dem Forum Romanum. Anschließend spielte er auf dem Exerzierplatz in Capua ein Jahr lang Soldat und kehrte mit achtzehn Jahren in das Leben auf dem Forum zurück. Er
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