MoR 04 - Caesars Frauen
voranzugehen und auf einem der verschrumpelten Hütchen herumzukauen.
»Was willst du?« fragte ihn Silius schroff.
»Mit euch reden«, antwortete Clodius und lächelte zum erstenmal.
Das Lächeln des Publius Clodius hatte eine frappierende Wirkung auf diejenigen, die es noch nie gesehen hatten; es machte sein ansonsten eher angespanntes, ängstliches Gesicht so liebenswürdig und anziehend, daß seine Umgebung sich fast immer davon anstecken ließ. Und so lächelten plötzlich auch Silius, Cornificius und sogar die beiden Frauen.
Aber so leicht ließ sich ein Fimbrianer nicht einfangen. Clodius war der Feind, ein weitaus gefährlicherer Feind als jeder Armenier, Syrer oder Kaukasier. Und so hatte sich Silius seine geistige Unabhängigkeit bewahrt, nachdem sein Lächeln wieder abgeklungen war, und hegte noch immer Argwohn gegen Clodius’ Absichten.
Clodius hatte damit gerechnet und war vorbereitet. Während der vier demütigenden Jahre, in denen er in Rom herumgelungert hatte, war es ihm keineswegs entgangen, daß man als Mann von hoher Geburt von allen, die unter einem standen, äußerst mißtrauisch beäugt wurde und daß Männer von niederer Herkunft sich in der Regel keinen vernünftigen Grund dafür denken konnten, weshalb jemand von hoher Geburt den Wunsch haben sollte, sich unter sie zu mischen. Ohne Ziele, von seinesgleichen verachtet und auf der verzweifelten Suche nach einer Beschäftigung, war Clodius damals bestrebt gewesen, das Mißtrauen der gesellschaftlich unter ihm Stehenden zu zerstreuen. Jeder Erfolg hatte ihn in eine tröstliche Erregung versetzt, aber er hatte auch wirklichen Gefallen an der Gesellschaft dieser Menschen gefunden; es gefiel ihm, besser erzogen und intelligenter zu sein als alle anderen um ihn herum, es verschaffte ihm ein Gefühl der Überlegenheit, nach dem er unter seinesgleichen vergeblich gesucht hatte. Er kam sich vor wie ein Riese. Und den Leuten vermittelte er das Gefühl, als sei hier ein Hochwohlgeborener, dem sie etwas bedeuteten, der eine ehrliche Zuneigung zu einfachen Menschen und einfachen Verhältnissen gefaßt hatte. Er hatte es gelernt, sich bei diesen Menschen einzuschleichen und zu Hause zu fühlen. Er sonnte sich in einer ganz neuen Art der Bewunderung.
Er bediente sich der Methode des Redens. Keine großen Worte, keine unerwünschten Anspielungen auf griechische Dramatiker oder Dichter, nicht der geringste Hinweis darauf, daß ihm irgend etwas an seiner Gesellschaft oder den Getränken oder der Umgebung nicht gefallen könnte. Und während er redete, versorgte er seine Umgebung mit Wein und gab vor, selbst ungeheure Mengen davon in sich hineinzuschütten — dabei achtete er sorgsam darauf, am Ende der Nüchternste von allen zu sein. Er verstand es äußerst geschickt, unter den Tisch zu rollen, vom Hocker zu kippen, nach draußen zu stürzen, um sich angeblich zu übergeben. Beim ersten Kontakt bewahrten sich seine Opfer noch eine gewisse Zurückhaltung, aber er kam wieder, versuchte es erneut, kam ein drittes und auch ein viertes Mal, und schließlich mußte sogar der mißtrauischste Mann zugeben, daß dieser Publius Clodius ein wirklicher Pfundskerl war, ein stinknormaler Bursche, der nur das Pech hatte, in die falschen Kreise geboren worden zu sein. Und nachdem solches Vertrauen hergestellt war, konnte er sie formen wie Wachs in seiner Hand, vorausgesetzt, er achtete darauf, ihnen niemals zu nahe zu treten und ihre innersten Gefühle nicht zu verletzen. Er hatte sehr bald gemerkt, daß es Tölpel waren, um die er sich bemühte, ungehobelte, ungebildete Kerle, die sich nach Anerkennung sehnten und nur darauf warteten, sich formen zu lassen.
Marcus Silius und Lucius Cornificius unterschieden sich nicht wesentlich von irgendwelchen römischen Tavernenhockern, auch wenn sie Italien schon mit siebzehn Jahren verlassen hatten. Es waren harte, grausame, skrupellose Männer. Aber für Publius Clodius waren die beiden Zenturios wie warmer Lehm in der Hand eines meisterhaften Bildhauers. Ein leichtes Spiel. Kinderleicht...
Nachdem Silius und Cornificius sich selbst eingestanden hatten, daß sie ihn mochten, daß er sie amüsierte, begann Clodius damit, ihnen Honig um den Bart zu schmieren, sie nach ihrer Meinung zu diesem und jenem Problem zu fragen — und dabei wählte er stets Dinge, über die sie Bescheid wußten, für die sie sich zuständig fühlten. Und dann gab er ihnen das Gefühl, sie zu bewundern: ihre Unerbittlichkeit, ihre Ausdauer im
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