MoR 05 - Rubikon
Vellaunodunum und Cenabum, jetzt Noviodunum.«
»Anfang April war er noch in Narbo, und Ende April marschiert er bereits nach Avaricum«, meinte der Mandubier Daderax verblüfft. »Sechshundert Meilen in nur einem Monat! Wie sollen wir da mithalten? Ob er so weitermacht? Was sollen wir tun?«
»Wir ändern unsere Taktik«, sagte Vercingetorix, der sich wieder gefaßt hatte. »Wir müssen von ihm lernen und ihn gleichzeitig das Fürchten lehren. Noch steckt er uns in die Tasche, aber nicht mehr lange. Von nun an werden wir seine Feldzüge verhindern. Wir zwingen ihn zum Rückzug nach Agedincum und kreisen ihn dort ein.«
»Und wie stellst du dir das vor?« fragte Drappes skeptisch.
»Wir werden viele Opfer bringen müssen, Drappes. Wir müssen unbedingt verhindern, daß er etwas zu essen findet. Zu dieser Jahreszeit und auch im nächsten halben Jahr gibt es auf den Feldern nichts zu ernten. Deshalb werden wir unsere Getreidespeicher und Scheunen und sogar unsere eigenen oppida niederbrennen. Alles, was an Caesars Weg liegt, muß verschwinden. Und kein einziges Mal werden wir uns zur Schlacht stellen. Statt dessen hungern wir ihn aus.«
»Wenn er hungert, hungern wir auch«, wandte Gutruatus ein.
»Wir werden nicht ohne Nahrungsmittel sein, wir beschaffen uns einfach welche von weiter weg. Wir lassen uns von Lucterius im Süden und von den Aremoricern im Westen etwas zu essen schicken. Außerdem schärfen wir den Haeduern noch einmal ein, daß sie den Römern nichts geben sollen. Nichts!«
»Und Avaricum?« fragte Biturgo. »Es ist die größte Stadt Galliens und voller Vorräte, und während wir hier reden, marschiert Caesar bereits darauf zu.«
»Wir folgen ihm, aber in so großem Abstand, daß er uns keine Schlacht aufzwingen kann. Und Avaricum — «, Vercingetorix runzelte die Stirn, » — sollen wir es verteidigen oder niederbrennen?« Das ausgemergelte Gesicht glühte. »Wir brennen es nieder«, sagte er entschlossen. »Das ist das Vernünftigste.«
»Nein!« rief Biturgo entsetzt. »Ohne mich! Du hast uns Biturigen in diesen Krieg hineingezogen, aber ich sage dir, daß wir zwar bereit sind, Dörfer, Ställe und meinetwegen auch unsere Bergwerke anzuzünden, aber niemals Avaricum!«
»Dann wird Caesar es erobern und jede Menge zu essen haben. Wir müssen es niederbrennen, Biturgo, wir haben keine andere Wahl«, beharrte Vercingetorix.
»Dann würden die Biturigen verhungern«, sagte Biturgo bitter. »Er kann es gar nicht erobern, Vercingetorix! Niemand kann Avaricum erobern! Wie wäre es sonst zur mächtigsten Stadt Galliens geworden? Dank seiner Lage und seiner tapferen Bewohner ist es uneinnehmbar und wird alle Zeiten überdauern. Wenn du es niederbrennst, geht Caesar woanders hin, vielleicht nach Gergovia, oder« — er sah den Mandubier Daderax durchdringend an — »nach Alesia. Ich frage dich, Daderax: Könnte Caesar Alesia erobern?«
»Niemals«, erklärte Daderax im Brustton der Überzeugung.
»Dasselbe kann ich von Avaricum sagen.« Biturgo sah wieder Vercingetorix an. »Bitte, ich flehe dich an! Alle Festungen, Dörfer oder Bergwerke, die du willst, aber nicht Avaricum! Auf keinen Fall Avaricum! Vercingetorix, ich bitte dich! Mach es uns nicht unmöglich, dir zu folgen! Locke Caesar nach Avaricum! Soll er doch versuchen, es einzunehmen! Er wird sich daran die Zähne ausbeißen!«
»Was meinst du, Cathbad?« fragte Vercingetorix.
Das Oberhaupt der Druiden überlegte und nickte dann. »Biturgo hat recht. Avaricum ist uneinnehmbar. Laß Caesar in dem Glauben, er könne es schaffen. Soll er doch ruhig bis Sommer vor der Stadt sitzen. Solange er dort ist, kann er nicht woanders sein. Und im Frühling trommelst du die Männer von ganz Gallien zusammen. Es ist gut, wenn die Römer an einem Ort beschäftigt sind. Wenn Avaricum brennt, würde Caesar weitermarschieren, und wir würden ihn wieder aus den Augen verlieren. Halte ihn in Avaricum fest.«
»Also gut, meinetwegen. Aber davon abgesehen gilt, was ich gesagt habe: Alles, was sich im Umkreis von fünfzig Meilen um Caesar befindet, wird in Brand gesteckt!«
Für die Römer war Avaricum das einzig schöne oppidum in Gallia Comata. Es war viel größer als Cenabum, aber wie dieses eine richtige Stadt und nicht nur ein Ort, an dem Lebensmittelvorräte gelagert und Stammesversammlungen abgehalten wurden. Auf einem buckelartigen Felsrücken gelegen — dem einzig festen Untergrund inmitten ausgedehnten sumpfigen, aber fruchtbaren Weidelands
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