MoR 05 - Rubikon
Panik geratene Maultiere waren in den Abgrund gestürzt, doch kein einziger Soldat hatte Erfrierungen erlitten, und alle waren imstande, weiter nach Agedincum zu marschieren.
Die germanischen Ubier waren bereits seit fast vier Monaten in Vienna, Sie waren von ihren remischen Pferden so begeistert, daß sie, wie ihr Anführer in gebrochenem Latein beteuerte, alles tun würden, was Caesar von ihnen verlangte.
»Führe die Fünfzehnte ohne mich nach Agedincum, Decimus«, sagte Caesar und zog sich den stinkenden, alten Mantel über den Kopf. Darunter trug er Reitkleidung. »Ich nehme die Germanen mit an die Icauna, hole dort Fabius und seine beiden Legionen ab und treffe dich dann in Agedincum.«
Neunzigtausend Gallier waren unter Vercingetorix von Carnutum aufgebrochen, um ins Land der Biturigen einzufallen. Sie kamen nur langsam voran, denn Vercingetorix wußte, daß er nicht in der Lage sein würde, Avaricum, die Hauptfestung der Biturigen, erfolgreich zu belagern, und versuchte statt dessen nach Kräften, die Bevölkerung durch Plünderungen und Niederbrennen ihrer Gehöfte und ganzer Dörfer in Angst und Schrecken zu versetzen. Was ihm auch gelang, allerdings erst einige Zeit nachdem die Haeduer wieder abgezogen waren, ohne den Liger zu überqueren. Schon bald begriffen die Biturigen die bittere Wahrheit: Von den Römern, die sicher und wohlbehalten in ihren befestigten Lagern saßen, würde keinerlei Hilfe kommen. Mitte April schickten die Biturigen eine Gesandtschaft zu Vercingetorix und ergaben sich.
»Wir kämpfen für dich bis zum letzten Atemzug«, versprach ihr König Biturgo. »Wir tun alles, was du willst. Wir haben uns stets bemüht, unsere Verträge mit den Römern zu erfüllen, aber sie haben sich nicht an die Abmachungen gehalten und nichts zu unserem Schutz unternommen. Deshalb stehen wir jetzt auf deiner Seite.«
Was für eine Genugtuung! Befriedigt führte Vercingetorix seine Armee an Avaricum vorbei und rückte in Richtung Gorgobina vor, einem ehemaligen oppidum der Arverner, das inzwischen den Boiern gehörte, den helvetischen Eindringlingen.
Noch ehe Vercingetorix Gorgobina erreichte, stieß Litaviccus zu ihm, nachdem er von einem Hügelkamm aus staunend auf das gewaltige Heer herabgeblickt hatte. So viele Menschen! Wie wollten die Römer sie je besiegen? Auch wenn sich die Größe eines römischen Heeres schwer abschätzen ließ, da sich die Kolonne von Soldaten wie eine lange Schlange über eine Meile hinzog, bevor sich am Ende des Zuges noch die Legion mit dem Troß und der Artillerie anschloß, wirkte es weniger bedrohlich und längst nicht so furchteinflößend wie der überwältigende Anblick, der sich Litaviccus bot. Unaufhaltsam rückten hunderttausend schwerbewaffnete gallische Krieger in Kettenhemden auf einer fünf Meilen breiten und hundert Mann tiefen Front vor, gefolgt von einem eher kümmerlichen Troß. Rund zwanzigtausend Krieger waren beritten, aufgeteilt in jeweils zehntausend auf den Seiten. Allen voran ritten die Anführer, an der Spitze Vercingetorix, dahinter die anderen: die beiden Senonen Drappes und Cavarinus, der Carnute Gutruatus und der Mandubier Daderax. Und Cathbad, leicht zu erkennen an seinem schneeweißen Gewand und seinem schneeweißen Pferd. Also handelte es sich um einen religiösen Krieg. Sogar die Druiden bekundeten öffentlich ihre Unterstützung für ein vereinigtes Gallien.
Vercingetorix ritt einen prächtigen Falben, der eine Decke mit dem Karomuster der Arverner trug. Die Hose des Vercingetorix war an den Beinen mit dunkelgrünen Riemen umwickelt, seinen Umhang hatte er über das Kettenhemd gezogen. Obwohl er darauf bestanden hatte, daß seine Männer Helme trugen, war er selbst barhäuptig, und er funkelte am ganzen Leib vor Saphiren und Gold, jeder Zoll ein König.
Biturgo gehörte zwar nicht zu den privilegierten Anführern gleich hinter Vercingetorix, aber er folgte in nicht allzu großer Entfernung an der Spitze seiner Männer. Als er sah, daß Litaviccus näherkam, zog er sein Schwert.
»Verräter!« brüllte er. »Römerschwein!«
Vercingetorix und Drappes ritten mit ihren Pferden zwischen die beiden.
»Steck dein Schwert ein, Biturgo!« herrschte Vercingetorix ihn an.
»Er ist ein Haeduer! Ein elender Verräter! Die Haeduer haben uns verraten!«
»Nicht die Haeduer haben euch verraten, Biturgo, sondern die Römer. Was glaubst du, warum die Haeduer wieder abgezogen sind? Nicht weil sie das wollten, es war ein Befehl von
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