Morbus Dei: Die Ankunft: Roman (German Edition)
„Die Verwundeten haben wir oben in die Stuben gelegt.“
„Ich weiß, ich war grad oben“, antwortete der Kommandant und fuhr nach einer kurzen Pause fort. „Er hat’s überlebt.“
Albrecht sah ihn fragend an.
„Der Friedrich. Wir mussten ihm –“
Albrecht nickte, er verstand. „Die Bauern haben auch schon was zum Essen gebracht“, lenkte er ab.
„Haben sie Schwierigkeiten gemacht?“
Der Alte schüttelte den Kopf. „Lammfromm, das feige Pack.“
„Dann hoffen wir, dass das auch so bleibt. Wenn einer aufmuckt, will ich sofort eine Meldung. Das mein ich auch auf unsere Leut bezogen. Schärf denen noch mal ein, dass die mir auch ja die Weiber in Ruh lassen, verstanden?“
„Jawohl.“
Der Kommandant klopfte seinem Adjutanten auf die Schulter. „Gut, Albrecht, gut. Wir wollen doch irgendwann wieder heim, was?“
Dann griff er sich ein Stück Speck und einen Brotscherz und setzte sich zu seinen Leuten.
XX
Die Dorfschenke war menschenleer. Nur Alois Buchmüller, Benedikt Riegler und Jakob Karrer saßen an einem Ecktisch, vor sich Zinnkrüge mit Bier und eine halbleere Flasche Schnaps, der gegen die bedrückende Stimmung aber nichts ausrichten konnte.
„Der Franz ist selber schuld. Der hat noch nie das Maul halten können“, ärgerte sich Karrer.
„Aber Recht hat er trotzdem gehabt. Die fressen und saufen uns noch arm. Dreimal reingespuckt hab ich in jedes einzelne Bier, das ich den Bayern hab rüberbringen müssen“, prahlte Buchmüller.
„Deshalb ziehen sie auch nicht früher ab.“ Riegler nahm einen Schluck Bier. „Wir können froh sein, dass sie unser Dorf nicht geschliffen haben. Ihr wisst, wie’s den heurigen Sommer an der Grenze zugegangen ist. Bei uns und bei denen.“
„Ja, ja, wir kennen die Geschichten, hast sie ja oft genug erzählt, dieses Jahr. Ich sag, wir halten uns ruhig und warten, bis sie weg sind“, schlug Buchmüller vor.
Karrer setzte ein heimtückisches Grinsen auf. „Am besten wär’, wenn wir die Bayern zu
denen
da oben raufschicken. Dann können sie sich gegenseitig abschlachten.“ Er lachte, Riegler stimmte mit ein.
„Wird aber nicht passieren, Jakob“, meinte Buchmüller und begann, seine Tonpfeife zu stopfen. „Übrigens, habt ihr schon das vom Johann gehört?“
„Was denn?“
„Dir erzählt wohl auch keiner mehr was“, stichelte Buchmüller. „Heut oben im Holz. Der Johann hat dem Albin das Leben gerettet. Hab mir doch von Anfang an gedacht, dass der ein aufrechter Bursch ist.“
Karrer stutzte einen Moment. „Ach das, ja, das haben sie mir erzählt, die beiden“, log er.
„Und Pfannenflicken kann der auch. Meine hat er wieder gut hinbekommen“, fügte Riegler hinzu.
Karrer fühlte Zorn in sich aufsteigen. Der Johann hat sich ja schon sehr gut eingelebt, dachte er und nahm einen großen Schluck aus der Schnapsflasche.
Die Nacht war hereingebrochen, begleitet von leichtem Schneetreiben.
Der Ofen strahlte eine behagliche Wärme aus, Elisabeth saß am Stubentisch und stopfte eine Weste. Johann stand beim Feuerhund und legte einige Späne Kienholz und Kranewitt nach, die sofort zu glosen begannen und gedämpftes Licht warfen. Ein süßlich-harziger Duft machte sich in der Stube breit.
Johann schloss die Augen und atmete tief ein. So sollte es auch einmal in seinem Zuhause riechen.
In einigen Jahren.
Als er die Augen wieder öffnete, sah er, dass Elisabeth ihn anblickte. Schnell senkte sie ihren Blick und fuhr mit ihrer Handarbeit fort. Johann setzte sich ihr gegenüber und begann an einem Stück Holz zu schnitzen.
Sie teilten die Stille.
Plötzlich flog ein Holzspan in Elisabeths Gesicht, überrascht sah sie auf.
„Verzeiht, gnädige Frau“, scherzte Johann.
„Glaubst, dass du dir jetzt alles herausnehmen kannst, nur weil du mir Lesen und Schreiben beibringst?“
„
Nur
Lesen und Schreiben?“
Elisabeth lächelte ihn verschmitzt an. „Schau an, da wird einer empfindlich.“
Johann fühlte sich von ihr vorgeführt, aber irgendwie gefiel ihm das.
„Was wird denn das, wenn’s fertig ist?“ Elisabeth deutete auf das Holz in Johanns Hand.
„Ach, das weiß ich selbst noch nicht. Jedes Holz hat eigentlich schon seine vorbestimmte Form, man muss sie nur finden.“ Johann betrachtete das Stück genau. „Schaut aber aus wie – ein Gesicht. Vielleicht ein Gaukler? Oder eine Narrenfratze? Oder –“ Johann blickte Elisabeth in die Augen. „– einer von
denen
da oben?“
Elisabeths Lächeln verschwand. „Woher
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