Morbus Dei: Die Ankunft: Roman (German Edition)
konnte, klopfte es an die Tür und Martin Karrer trat ein. Trockener Schnee rieselte von seinem dicken, wollenen Mantel. „Grüß Gott, Jakob“, sagte er zu seinem Sohn und nickte Johann und Albin zu.
„Was willst denn du hier bei diesem Sauwetter? Schneit’s draußen noch nicht genug?“
„Ich wollt euch einladen, zu mir zu kommen. Der Franz ist auch da, und wir könnten wieder mal die alten Lieder singen. Ist schon ein Zeiterl her.“
„Ich geh sicher nicht aus dem Haus. Hab’s hier fein genug“, antwortete Karrer ruppig.
„Und die anderen?“
Jakob Karrer musterte Albin und Johann gleichgültig. „Von mir aus.“
Die Tür öffnete sich, Elisabeth und Sophie kamen herein.
„Aber die Frauen bleiben im Haus“, bestimmte Karrer.
„Geh, Jakob. Ohne die Elisabeth hat das keinen Sinn. Die hat doch eine Stimme wie ein Engerl.“
„Den Bayern wird ihre Stimme sicher auch gefallen, wenn sie das mitkriegen“, entgegnete Karrer.
„Der einzige Bayer steht am Eingang vom Dorf, friert erbärmlich und könnte nicht mal einer Maus gefährlich werden.“
„Bitte, Vater. Du weißt, wie sehr ich die alten Lieder mag“, bat nun auch Elisabeth.
Karrer verdrehte die Augen. „In Gott’s Namen. Dann geht’s halt, aber seid nicht zu lang aus. Johann und Albin, ihr seid mir verantwortlich für die Elisabeth. Und –“
Alle sahen ihn an.
„Die Sophie bleibt da. Wär ja noch schöner, wenn ich mir mein Zeug selbst aus der Kuchl holen müsst.“
Er sah Sophie an, ein feistes Lächeln auf den Lippen. Sophie wusste, was an dem Abend kommen würde, hatte es schon oft genug erlebt: Sie musste Jakob Karrer von vorne bis hinten bedienen, und trotzdem war nichts recht und gut genug. Dass sie heute mit den anderen nicht zum Singen gehen durfte, war natürlich auch die Rache dafür, dass sie sich zum Pflegen der Soldaten gemeldet hatte. Aber damit war ja zu rechnen gewesen.
„Kannst mir gleich einen Schnaps holen, Sophie“, sagte Karrer laut. „Aber kalt soll er sein.“
Sophie nickte und stand auf. Das einzig Gute an Jakob Karrer war, dass er nie zudringlich geworden war. Aber das auch nur, weil er, wie er ihr einmal ins Gesicht geschmettert hatte, nicht daran denke, sich etwas zu nehmen, was das ganze Dorf schon vor ihm gehabt hatte. Die rohe – und zudem unwahre – Bemerkung hatte sie sehr verletzt. Aber besser, er hielt sie für eine Hure und ließ sie in Ruhe, als er vergriff sich an ihr, so wie es viele andere Bauern Tag für Tag mit ihrem Gesinde taten.
Sophie verließ die Stube.
Martin Karrer führte die drei durch das Dorf. Kalter Wind fuhr ihnen allen tief in die Knochen. Es war dunkel geworden, schwaches Licht fiel aus den Häusern auf die fast einen Klafter hohen Schneewände links und rechts des schmalen Weges.
„Wer hat denn den Pfad geschaufelt?“, fragte Johann den Großvater.
„Na wer schon? Der Liebling vom Kommandanten, der Franz. Mit einem der Knechte. Immerhin braucht’s einen Weg für die Wachablösung.“
Albin konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Der mit seinem großen Maul. Aber dass es ihn einmal ein halbes Ohr kosten würde, hätte er sicher nicht gedacht.“
„Er hat ja noch eins“, sagte Martin Karrer. „Mehr braucht er nicht.“
Sie waren beim Haus des Großvaters angekommen, der alte Mann öffnete die Haustüre nur einen Spalt breit, damit nicht zu viel Wärme entweichen konnte. „So, kommt schnell herein.“
Die vier betraten die kleine Stube in Martin Karrers Haus. Sie war sehr einfach gehalten, doch die Wände und die Decke waren mit Schnitzereien verziert. Unter dem Herrgottswinkel standen Bänke und ein grober Holztisch. Der Ofen war geheizt, es war angenehm warm.
Johann fühlte sich spontan wohl, wie schon damals, als er das erste Mal durch das Haus gegangen war. Es kam ihm ewig vor – wie lange war er schon im Dorf? Er konnte es nicht mit Sicherheit sagen.
Franz Karrer saß bereits am Tisch, einen Verband um den Kopf und einen Schnapsbecher vor sich. Er hob den Becher. „Gesundheit, Männer. Und dir natürlich auch, Elisabeth.“
„Lass es dir schmecken, Franz. Hast ja viel gearbeitet heut“, sagte Martin Karrer mit einem leichten Lächeln auf den Lippen.
„Diese verdammten bayerischen Hunde – ich kann von Glück sagen, wenn sie mir nicht noch ein Ohr abschneiden.“
„Oder was anderes“, feixte Albin.
„So wie mich der Kommandant angeschaut hat, trau ich dem das auch noch zu. Der hat höchstpersönlich hinter mir gestanden und mir
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