Morbus Dei: Die Ankunft: Roman (German Edition)
waren.
Heinrich und seine Männer blickten von Anselms Leichnam zu Jakob Karrer.
Und nickten, einer nach dem anderen.
„Gut. Dann hinab ins Tal, beeilt euch!“, grollte die Stimme von Karrer durch den Raum. Wie in Trance ergriffen die Männer ihre Waffen.
Einer nach dem anderem huschten sie über die Steintreppen nach oben.
Jakob Karrer griff nach seinem Beil, ging zu der Leiche des Kommandanten und enthauptete ihn mit einem einzigen Hieb. Dann folgte er den Seinen …
XL
Johann und Elisabeth saßen am Stubentisch im Haus des Großvaters. Elisabeth hatte Johanns Kopfwunde bereits verbunden, jetzt widmete sie sich den tiefen Schnitten an Armen und Oberkörper. Sorgfältig säuberte sie die Wunden und wickelte weiße Stoffstreifen darüber.
Der Großvater betrat mit Vitus die Stube und setzte sich schwerfällig an den Tisch. Vitus rollte sich zu seinen Füßen zusammen. Nachdenklich blickte der Großvater auf die alten Vernarbungen an Johanns Oberkörper. „Sind ja wieder einige dazugekommen.“
„Ja“, sagte Johann kurz.
„Es heißt, dass die Falten im Gesicht eines Menschen sein Leben widerspiegeln, aber bei dir scheint’s der ganze Körper zu tun. Ich frag mich, was sie uns erzählen täten?“
„Sie würden von viel Leid und Elend zu berichten wissen. Von rechten und unrechten Taten.“
„Und auf welcher Seite hast du gestanden?“
„Nicht leicht zu sagen“, entgegnete Johann nachdenklich. „Zu oft hat jede Seite Recht. Aber wenn man tötet um größeres Unrecht zu verhindern, dann steht man als Mensch schon auf der richtigen Seite, würd ich meinen. Nur –“
Der Großvater blickte ihn interessiert an.
„Vor Gott steht man trotzdem als Mörder.“
„Da hast wohl Recht. Darum ist man gut beraten, rechtzeitig Buße zu tun.“
„Oder man versucht, es wieder gutzumachen …“
Der Großvater nickte.
„Ich hab’s zumindest vor“, sagte Johann entschlossen.
„Dann wird dir Gott wohl vergeben.“
Elisabeth war mit dem Einbandagieren fertig. Johann befühlte die Verbände. „Kein Arzt hätte es besser machen können.“ Er drückte ihr die Hand. Ein kurzes Lächeln umspielte ihre Lippen, aber sie wurde sofort wieder ernst.
„Johann – hat der Herr Pfarrer mit euch gekämpft?“
Johann schüttelte den Kopf. „Der feine Herr Hochwürden war schon wie vom Erdboden verschluckt, bevor der Kampf überhaupt begonnen hat!“
„Er hat euch verraten.“
Johann nickte müde. „Ich weiß.“
„Aber ich weiß auch warum.“ Elisabeth öffnete die Truhe neben dem Tisch. Sie holte das vergilbte Blatt und das schwere Buch hervor und legte es auf den Tisch. Johann wischte mit der Hand über die geschnitzten Lettern des Einbandes.
„Morbus Dei?“
„Ich hab es in der Sakristei gefunden.“
Johann sah sie anerkennend an.
„Lies zuerst den Brief, Johann.“
Johann las die Worte laut vor.
„…
nur sie, die leiden, die geschlagen sind mit Schwären und Seuchen, sind auserwählt, Ihm zu dienen. Und die, die ihnen beistehen, werden ebenfalls ins Reich Gottes eingehen
…“
Johann und der Großvater blickten sich überrascht an.
„Das ist noch nicht alles.“ Elisabeth legte den Brief aus der Sakristei auf den Tisch. „Das hat der alte Pfarrer Jacobus Kettler dem Kajetan Bichter geschrieben.“
Johann nahm den Brief und las ihn langsam vor:
„Kajetan, nun, da ich bald sterben werde und du mein Nachfolger im Dorf wirst, ist es an der Zeit, dass du die Wahrheit erfährst, obwohl du sie vielleicht schon geahnt haben magst. Ich habe den Zweifel und die Fragen in deinen Augen stets bemerkt, auch wenn du große Sorgfalt darauf getragen hast, sie zu verbergen
.
Die Ausgestoßenen, wie man sie im Dorf so ungerecht schimpft, haben nicht nur Kinder mit der Krankheit auf die Welt gebracht. Ab und an wurden auch gesunde Kinder geboren. Manche hat man weggebracht, zu anderen Klöstern, aber deine Mutter hat dich heimlich zu mir gebracht und mich angefleht, dich im Dorf zu behalten
.
Ich hab gelobt, dich im Namen Gottes aufzuziehen, um wenigstens an dir wieder gutzumachen, was dieses verfluchte Dorf den Deinigen angetan hat
.
Um Buße dafür zu tun, dass sie euch verstoßen haben, und um dir die Möglichkeit zu geben, Seinen Willen zu vollenden, wozu ich nicht mehr in der Lage bin
.
So bitte ich dich – sei dem Dorf trotz seiner Sünden ein Pfarrer mit reinem Herzen. Und bemühe dich gleichzeitig, für die Deinen einzutreten und ihnen, wenn auch verborgen, eine Stimme zu geben
.
Der
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