Morbus Dei: Inferno: Roman (German Edition)
blieb neben ihr, bis sie eingeschlafen war.
„Schläft sie?“, fragte Burkhart, als Johann sich zu ihm und von Freising setzte.
„Ja.“
„Was fehlt ihr wirklich?“ Der Pilgerführer hielt einen Rosenkranz in den Händen, den er durch die Finger gleiten ließ.
„Sie hat einiges mitgemacht.“
„Das haben wir alle.“ Er fixierte Johann. „Ist ein Glück für euch, dass ihr bei mir unterschlüpfen konntet, nicht?“
Johann wusste, wohin das Gespräch führen würde. Er nickte.
„Ich weiß allerdings auch gern, wer in meiner Gruppe ist“, fuhr Burkhart fort. Er sah von Freising an: „Du bist ein Jesuit, ich kenne deinen Abt und dein Kloster in Wien. Du bist ein ehrenwerter Mann Gottes, wie mir scheint, wenn auch ein ungewöhnlicher, wie ich zuvor in der Schenke erleben durfte. Aber in Zeiten wie diesen braucht der Herr Kämpfer, ich weiß das selbst am besten. Aber du“, er wandte sich an Johann, „wer bist du? Die Wahrheit, sonst geht ihr allein weiter.“
Johann zögerte. Je mehr Menschen wussten, wer er war, desto größer war die Gefahr, dass sie aufflogen. Aber er spürte auch, dass er diesem Mann vertrauen konnte.
Vertrauen musste.
Er holte tief Luft und begann zu erzählen.
Burkhart schien von Johanns Geschichte weniger überrascht, als dieser erwartet hatte. Nur als er das Kloster erwähnte, in dem er aufgewachsen war, tauschten Burkhart und von Freising einen kurzen Blick.
„Und wo wollt ihr hin, wenn ihr Papiere habt?“
„Nur weg. Wir werden schon einen Platz finden, wo man uns in Ruhe lässt“, antwortete Johann.
„Ein Mann sollte mehr Ahnung davon haben, wohin er geht.“ Burkhart überlegte kurz. „Zwei meiner Pilger stammen aus Siebenbürgen. Sagt dir das was?“
Johann schüttelte den Kopf.
„Grob gesagt, die Donau hinunter und dann nach Norden.“ Burkhart lächelte. „Dort gibt es noch Orte, wo man die Ruhe findet, die du dir wünschst. Es herrscht sogar Religionsfreiheit, Gott bewahre. Wenn euch das zusagt, können wir mit meinen Pilgern darüber sprechen.“
Johann gefiel die Vorstellung von Ruhe und Frieden. „Klingt gut“, sagte er zu Burkhart.
Dieser lächelte. „Dann –“
„Still!“, unterbrach ihn von Freising. Sie lauschten, hörten aber nichts.
„Mir war, als hätte ich das Knarren einer Tür gehört“, flüsterte der Mönch.
„Ich hab nichts gehört“, sagte Burkhart. Er stand auf, ging zum Spalt des Scheunentores und lauschte angestrengt.
„Ich würde sagen, wir halten abwechselnd Wache und brechen noch vor der Morgendämmerung auf. Wir sollten unser Glück nicht im Übermaß strapazieren. Eine Nacht in dieser Schenke lebend überstehen, mehr gesteht uns Gott wahrscheinlich nicht zu.“
Von Freising hielt die erste Wache. Es war still, die anderen schliefen. Der Mönch wickelte sich enger in seinen Umhang und begann lautlos einen Rosenkranz zu beten.
XX
Der nächste Morgen war feucht und klirrend kalt. Die Männer standen vor der Schenke in kniehohem Bodennebel, der ihnen binnen kürzester Zeit jede Wärme aus dem Körper zog. Am Horizont war der schwache Schein der aufgehenden Sonne erkennbar.
„Ich denke, das ist der Unterkunft angemessen.“ Burkhart gab dem Wirt einen kleinen Beutel mit Münzen.
Der Wirt wog ihn in der Hand. „Das ist nicht –“
„Doch, das ist“, unterbrach ihn Burkhart mit ruhiger Stimme. „Wir haben im Stall übernachtet, und von dem, was du Essen schimpfst, will ich nicht reden.“
Johann und von Freising kamen näher und stellten sich neben Burkhart.
„Gibt es Probleme?“, fragte Johann.
Der Wirt blickte die drei missmutig an. „Feine Gäste seid ihr.“ Er drehte sich um, ging in die Schenke zurück und warf die Tür krachend zu.
„Da habt ihr euch keinen Freund gemacht, Bruder“, sagte von Freising.
„Wucherer wie der haben keine Freunde.“ Burkhart drehte sich zu seinen Pilgern um, die vor dem Wirtshaus warteten. „Wir brechen auf!“
Wie in den Tagen zuvor gingen Johann, von Freising und Burkhart voraus, dann folgte Elisabeth auf dem Pferd, danach die anderen Pilger. Der Nebel füllte jetzt das ganze Tal, gleich einer grauen Suppe, die allem die Farbe raubte. Nur schemenhaft waren Bäume und Wegmarken zu erkennen, schnitten sich oft erst wenige Fuß vor den Männern heraus.
Es war still, der Nebel dämpfte alle Geräusche.
„Erst Banditen und Unwetter, jetzt sieht man keine Elle weit – dieses Tal schmeckt mir nicht“, sagte Johann missmutig.
„Reisen sind immer mühsam.
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