Morbus Dei: Inferno: Roman (German Edition)
Mann machte eine Pause, alle hingen an seinen Lippen, auch jene, die Geschichte schon kannten.
„Aber irgendwann war ihm das nicht mehr genug.“ Er blickte theatralisch in die Runde. „Deshalb hat er damit begonnen, die herausgeschnittenen Herzen aufzufressen. Jedes einzelne! Stück für Stück! Bis vor die Tore Wiens hat er sich durch die Türkenherzen gefressen, als sie ihn schließlich erwischt und gefangen genommen haben. Die nächsten Jahre hat er im Gefängnis eines Beis verbracht, der ihm versprochen hatte, ihn für seine Taten lebenslang zu foltern. Es soll die Hölle auf Erden gewesen sein. Aber er hat fliehen können, ist zurückgekommen und hat die härtesten Männer um sich geschart. Jetzt beherrscht er die Berge und Täler hier. Niemand außer seinen Leuten kennt sein Gesicht, aber er soll immer eine prächtige blutrote Schärpe um den Leib geschlungen haben. Es heißt, dass er sie, bevor er floh, mit dem Blut der Frauen und Kinder des Beis gefärbt hat, als er ihnen bei lebendigem Leib das Herz herausschnitt.“
Ein Raunen ging durch die Runde.
„Ich bin beeindruckt“, sagte Johann.
Der Mann wurde rot im Gesicht. „Tot bist du gleich“, zischte er wütend.
In diesem Moment stöhnte Elisabeth laut auf.
XIX
Alle blickten sie an.
Wie konnte sie nur? Aber der Schmerz war vom Hals durch den Körper geschossen, so glühend und allumfassend, dass sie ein Stöhnen nicht hatte unterdrücken können.
Der Mann deutete auf Elisabeth, die die Kapuze noch ins Gesicht gezogen hatte.
„Warum zieht dein“, er machte eine Pause – „ Bruder nicht die Kutte aus dem Gesicht? Geht ihm unser Anblick zu nahe?“
„Er ist krank“, sagte Johann mit Nachdruck.
„Krank? Was hat er denn? Doch nicht Aussatz?“
„Nein, er leidet an Fleckfieber.“
Der Mann näherte sich Elisabeth. „So, so.“
Johann stand auf und stellte sich vor sie.
„Lass nur, Johann“, erklang ihre Stimme. Er drehte sich um, sie hatte die Kutte zurückgeworfen. Totenblass stand sie vor ihm, die Lippen spröde, die Augen leer.
Und doch – Johann sah es, alle sahen es: Elisabeth war eine schöne, begehenswerte Frau, und keine Krankheit oder Strapazen würden daran etwas ändern können.
Der Mann leckte sich den Mund. „Ei, ei, was haben wir denn da?“
Er trat an Elisabeth heran, aber Johann packte ihn an der Schulter. „Lass das! Ich warne dich.“
„Was willst du Pilgerlein mir denn –“
Johann reichte es. Er packte fest zu und warf den Mann mit einer schnellen Handbewegung zu Boden. Der Mann schrie wütend auf, aber Johann kniete blitzschnell auf ihm, zog sein Messer und drückte es dem Mann an die Kehle.
Der Begleiter des Mannes zog ebenfalls ein Messer, aber er hatte nicht mit von Freising gerechnet: Der Mönch schoss auf, schwang seinen Wanderstab und fegte den Mann von den Beinen, alles in einer einzigen, geschmeidigen Bewegung. „Ruhig, mein Sohn“, sagte er zu dem Mann, der stöhnend liegen blieb.
Alle im Raum – ob Pilger oder Gäste – folgten atemlos der Auseinandersetzung.
Johann drückte dem Mann das Messer fester an die Kehle. „Wir bleiben nur eine Nacht. Es lohnt nicht, hast du verstanden?“
Der Mann durchbohrte ihn mit wütendem Blick, nickte aber.
Burkhart gab seinen Pilgern ein Zeichen, sie standen auf und gingen zur Tür, durch die gerade der Wirt und sein Gehilfe das Essen hereinbrachten.
„Herr Wirt, habt ihr einen Stall, wo wir übernachten können?“, fragte Burkhart.
„Kostet euch aber gleich viel wie im Haus.“
„Das macht nichts. Es gibt zu viele Hitzköpfe hier unter deinem Dach. Bring das Essen in den Stall, wir bleiben dort, wenn’s recht ist.“
Die Pilger lagen im Heu verteilt, nur von Freising und Burkhart saßen auf niederen Schemeln umweit der Stalltür und sprachen leise miteinander. Alle hatten gegessen, die Reste lagen in den Schweinetrögen.
Johann deckte Elisabeth, die abseits der anderen lag, mit seinem Umhang zu. Er sah sich um: Die Pilger schliefen bereits, das Vieh ebenfalls. Es war ruhig, bis auf den Sturm, der draußen unvermindert tobte.
„Entschuldige, es ist meine Schuld, dass wir hier übernachten müssen“ sagte sie heiser.
„Vergiss es. In Leoben bring ich dich zu einem Bader“, entgegnete Johann sanft und wischte ihr die schweißnasse Stirn trocken.
„Ich glaub nicht, dass mir ein Bader helfen kann“, antwortete Elisabeth.
„Natürlich kann er das. Und jetzt schlaf und ruh dich aus.“
Er küsste sie liebevoll auf die Stirn und
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