Morbus Dei: Inferno: Roman (German Edition)
Menge Leut. Da wird sicher wer dabei sein, der euch helfen kann“, versprach Josefa.
„Das freut mich, dass du das weißt, Weib“, knurrte der Preuße. „Aber ich werd schauen was ich tun kann. Irgendwas wird schon klappen.“
Josefa tätschelte ihm die Wange. „Sag ich doch!“
„Weib, das tut meinem Kopfweh nicht wohl.“
Josefa verdrehte die Augen und blickte dann zu Elisabeth. „Männer. Wie die Viecher saufen und dann empfindlich wie die Kinder.“
XLIII
Wien, im Frühjahr des Jahres 1704.
Wir sind nun seit wenigen Tagen in dieser Stadt, die unvergleichbar ist mit jeder anderen, die ich bisher gesehen habe. Ob Innsbruck, das ich nur aus der Ferne erlebte, oder Leoben, das durch seine dicken Stadtmauern und engen Gassen irgendwie Geborgenheit vermittelt hat. In Wien ist alles anders. Die Häuser und besonders der Dom zu St. Stephan sind riesig, die Straßen so breit, dass gut drei Fuhrwerke nebeneinander Platz haben, und die Menge an Leuten so groß, dass man unmöglich jeden kennen kann.
Heinz, Johanns Kriegskamerad, und seine Frau Josefa haben uns völlig selbstlos bei sich aufgenommen und behandeln uns, als wären wir ihre Familie. Es ist schön zu sehen, wie Johann sich über das Wiedersehen freut, die Strapazen der letzten Zeit scheinen wie weggewischt.
Die Krankheit macht mir an manchen Tagen mehr, an anderen wieder weniger zu schaffen, zumindest muss ich nicht das Tageslicht meiden. Die schwarzen Adern ziehen sich über den Nacken und ein wenig den Rücken entlang, soweit ich das sehen kann. Sie scheinen sich aber nicht auszubreiten. Auch kann ich sie vor Johann und den anderen gut verbergen, nicht auszudenken, wenn sie etwas bemerken würden.
Ob es so bleibt?
XLIV
Das Licht der Vormittagssonne hüllte alles in ein warmes Orange, die letzten Reste des Morgennebels lagen wie Watte in der Landschaft.
„Mir geht immer das Herz auf, wenn ich das hier sehe“, schwärmte der Preuße, und Johann musste ihm beipflichten. Der Blick von der Wasserschantzbastei war einfach überwältigend. Kein Gebirge, das einem die Sicht versperrte, keine Häuserzeile, die einen einengte. Im Westen schnitt sich der Neue Canal von der Donau ab und geleitete die flachen Zillen bis vor die Tore der Stadt. Hier wurden sie neu beladen und ließen sich Richtung Osten mitnehmen, um sich wieder mit der Donau zu vereinigen.
Auf der anderen Seite des Kanals wuchs die Leopoldstadt, dahinter breitete sich ein wabenähnliches Netz von Inseln aus, die im Norden wieder von der Donau begrenzt wurden.
Über Johann und dem Preußen zogen Vogelschwärme ihre Kreise, während am Ufer unter ihnen dutzende von Arbeitern emsig die Ladungen der Zillen löschten und Karren vom Mauttor zu den Schiffen und zurückdirigierten. Ein strukturiertes Chaos, gleich einem Ameisenhaufen, das weder Anfang noch Ende kannte.
„Und da soll uns jemand erwischen?“, fragte Johann ungläubig.
„Lass dich mal nicht täuschen, die Schiffsleut haben einen Riecher für faule Sachen. Außerdem liegen etliche Zollstationen auf eurem Weg.“ Der Preuße sog die kühle Frühlingsluft in sich hinein. „Ich glaub, ich weiß schon wen, der euch helfen kann. Allerdings –“ er blickte Johann an, „du könntest ja auch hier bleiben, in Wien.“
Johann sah ihn an, als hätte er den schlechtesten Witz auf Erden gerissen. „Bist noch ganz bei Trost? In einer Stadt, die einer Festung gleicht, mit sicherlich tausend Mann Stadtguardia, hunderten Rumorwachen und von Pranckh mittendrin? Da könnt ich mich gleich mit nacktem Arsch in ein Wespennest setzen, da ist die Wahrscheinlichkeit geringer, gestochen zu werden.“
„Genau das ist ja der Punkt, Mensch. Niemand würde dich in der Höhle des Löwen vermuten. Schau mich an, ich muss mich nicht verstecken, im Gegenteil. Ich steh in der Öffentlichkeit und leg mich sogar mit dem Schwein von Stadtguardialeutnant an. Deshalb bin ich jetzt, wer ich bin, und nicht, wer ich war.“
Die verdrehte Logik des Preußen hatte etwas, das musste Johann ihm zugestehen. Aber letzten Endes –
„Die Elisabeth würd hier nicht glücklich werden, das weiß ich. Wenn sich die Begeisterung für das Neue gelegt hat, würde die Stadtmauer sie nicht beschützen, sondern einsperren.“
„Wenn ihr’s euch anders überlegt, unsere Tür steht immer offen.“
Johann nickte dankend, er wusste, dass er sich auf die Worte seines Kameraden verlassen konnte. Dann holte er seine Pfeife hervor und wollte sie eben stopfen, als ihn der
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